Was für die Jugend dieser Welt die Fridays-for-Future-Bewegung, ist den Kommunen ihre Initiative „Klimanotstand“. Den rufen immer mehr Städte und Gemeinden derzeit auch in Deutschland aus. Knapp fünfzig sollen es bereits sein. Klimanotstand: Ist dieser Begriff angemessen? Nicht wenige halten das für blanken Aktionismus und unnötigen Alarmismus. Wird solcherart Antrag im Kommunalparlament gestellt, halten es manche Kritiker gar für eine „reine Showveranstaltung“ oder ein „Wahlkampfmanöver“. Doch ist es falsch, diesen Weckruf der Klimakrise öffentlichkeitswirksam aus dem Rathaus zu hören? Nein, im Gegenteil. Es ist unbedingt notwendig, um deutlich zu machen, dass noch nicht viel erreicht ist und dass, auch wenn kommunale Klimaschutzkonzepte längst gebastelt sind und umgesetzt werden, noch mehr getan werden muss.
Wird der Klimanotstand im Stadt- oder Gemeinderat angenommen, verpflichten sich die Ratsmitglieder, etwaige Beschlüsse immer auch auf ihre Klimaverträglichkeit hin zu bewerten – und gegebenenfalls zu verwerfen. Denn von da an gilt es, nur noch Entscheidungen zu fällen, die sich positiv aufs Klima auswirken. Oder zumindest nicht nachteilig. Die Stadt Augsburg klopft ihre Beschlussvorlagen bereits auf Nachhaltigkeit ab. Es war dort im Rat festgestellt worden, dass sich viele Beschlüsse als „hemmend“ gegenüber Klima-, Natur- oder Artenschutz erwiesen. Es gibt dort also schon Nachhaltigkeitschecks kommunaler Entscheidungen. Und dennoch erwägt die „selbstbewusste Großstadt“, ebenfalls einen Klimanotstand auszurufen. Vorbild für Nachhaltigkeitschecks ist die Stadt Heidelberg, deren Rat dieses Prozedere schon länger durchziehen. Doch auch die Heidelberger haben sich bereits für den Alarmbegriff entschieden und rufen: Klimanotstand auch bei uns. Und das, obwohl hier seit dreißig Jahren schon kommunaler Klimaschutz betrieben wird und mit der „Bahnstadt“ eine der größten CO2-armen Passivhaussiedlungen in Europa steht.
Sicher, nur der bloße Ausruf spart noch keine einzige Tonne CO2 ein. Doch solcherart Erklärung ist ein starkes Signal an die Bürgerinnen und Bürger. Zum Beispiel zum Ökostromanbieter zu wechseln. Oder weniger Fleisch zu essen und den ÖPNV statt das Auto zu nutzen und in den Zug statt in ein Flugzeug zu steigen. Oder wenn möglich, das alte Heizungsfossil im Keller auszutauschen. Die Kommune kann das fördern, darüber beraten und finanziell unterstützen. Genauso wie sie in ihrem eigenen Bestand zusieht, Energie einzusparen, Heizungen zu modernisieren und den kommunalen Fuhrpark CO2-arm auszustatten. Und nicht zuletzt ist der Klimanotstand auch ein Hilferuf. Eine Aufforderung an den Bund für eine wirksame Klimapolitik. Zum Beispiel ein viel ambitionierteres und schärferes Gebäudeenergiegesetz auf den Weg zu bringen als dieser schlaffe und schwache Entwurf, der derzeit die Runde macht. So gesehen ist der Klimanotstand auch ein notwendiges Wachrütteln.
Kommunen dieser Republik: Ruft den Klimanotstand aus!
Über den Autor:
Tim Bartels ist Chefredakteur der Zeitschrift UmweltBriefe. Darin beschäftigt er sich mit den Themen Nachhaltigkeit, Energie, Abfall, Immissionsschutz, Mobilität, Klima- und Naturschutz, Stadtökologie, Umweltmanagement, Umweltrecht und Lokale Agenda 21. Er ist Träger des UmweltMedienpreises der Deutschen Umwelthilfe.