Ein Landwirt aus dem Rheinland empört sich darüber, dass mittlerweile gelte: Biologisch ist gut, konventionell ist schlecht. Er nutze als konventioneller Bauer aber auch biologische Verfahren, sagte er beim Agrarkongress des Bundesumweltministeriums (BMU), und zähle dennoch zu den „Bösen“. Dieses negative Image halten laut einer Befragung unter Landfrauen in Baden-Württemberg 48 Prozent für „bedrückend“, so referierte es in Berlin Hiltrud Nieberg vom Thünen-Institut: „Die Landwirte haben sich aus ihrer Sicht jahrzehntelang an wirtschaftliche Herausforderungen und immer neue rechtliche Rahmenbedingungen angepasst – um am Ende doch wieder nur Kritik zu ernten und für alle möglichen Missstände verantwortlich gemacht zu werden.“ Kurzum: Ihre Arbeit erfahre keinerlei Wertschätzung. Nun soll endlich nicht mehr nur übereinander, sondern miteinander geredet werden.
Der BMU-Agrarkongress
Der BMU-Agrarkongress ringt seit 2017 um einen Gesellschaftsvertrag für eine enkeltaugliche Landwirtschaft – bisher ohne Ergebnis. Die Bauern sind bisweilen nicht dialogbereit, kehren Umweltministerin Svenja Schulze mal den Rücken zu, mal pfeifen sie sie aus. Dafür entschuldigte sich stellvertretend Dirk Andresen von der Initiative „Land schafft Verbindung“, die Tausende Landwirte dazu bewegte, mit ihren Treckern in die großen Städte zu fahren und zu protestieren. Die „Lebenswirklichkeit auf dem Lande“ sei nun mal eine andere als in der „Parallelwelt Berlin“, sagt Andresen, der selbst 2 500 Mastschweine hält und auf 160 ha Land ackert. Er findet es existenzbedrohend, dass die Düngung im Schnitt um 20 Prozent reduziert werden soll. Damit würden den Bauern zwanzig Prozent vom Umsatz weggenommen, behauptet er. „Die Ökologie bekommen wir nicht bezahlt.“
EU-Richtlinien
Die überlebensnotwendige Ökologie in der Landwirtschaft muss aus dem 60-Milliarden-Euro-Topf der EU finanziert werden. „40 Prozent der Direktzahlungen“, verkündete Agrarstaatssekretärin Beate Kasch beim Agrarkongress, „sollen dem Umwelt- und Klimaschutz dienen.“ Darauf habe sich ihr Ministerium festgelegt. Konkreter geht´s nicht; Unklar bleibt, wieviel Prozent davon unter die Ökoregelungen (Eco-Schemes) fallen und wieviel von der ersten in die zweite Säule umgeschichtet werde, um Bauern für Gewässer-, Klima- oder Tierschutz zu honorieren.
Die Klage aus Brüssel lässt da wenig Spielraum. Jahrzehntelang wurde die EU-Nitrat-Richtlinie ignoriert, Gewässer und Umwelt über die Maßen belastet. Laut Umweltbundesamt (UBA) liegt der Nitratgehalt (NO3) des Grundwassers bei 18,5 Prozent der Messstellen über den erlaubten 50 mg/l. Bauern gelten als Hauptverursacher. „Mehr als 50 Prozent der reaktiven Stickstoffverbindungen gelangen in Deutschland über die Landwirtschaft in die Umwelt“, so das UBA. Und: Im Grundwasser kommen 88 Prozent des NO3 von Agrarflächen unterhalb der Wurzelzone. Mehr Transparenz im Messnetz fordert da Dirk Andresen von „Land schafft Verbindung“. Er zweifelt Werte an, weil sie zu alt seien. Dagegen beklagt Ulrich Peterwitz von der Gelsenwasser AG, dass heute immer noch über die gleichen Dinge wie 1990 oder 1985 gestritten werde. „In manchen Brunnen werden aktuell 50, 60 oder 70 Milligramm pro Liter festgestellt.“ Auch 220 mg/l werde gemessen, betont Peterwitz. Es gebe daher Wasserwerke, die wegen zu hoher Nitratwerte geschlossen wurden. „Jetzt gerade kippt wieder eins“, so er. Insgesamt zeigten ein Drittel der Messstellen zu hohe Werte.
Zukunftskommission Landwirtschaft
Über die Fakten müsse „Einverständnis herrschen“, fordert der neue UBA-Präsident Dirk Messner. Nur dann könne ein Gesellschaftsvertrag gelingen. Dieser sichere Landwirten finanzielle Unterstützung zu, pflichtet ihm BMU-Chefin Svenja Schulze bei, „und er legt fest, welche Leistungen die Allgemeinheit im Gegenzug für den Schutz der Umwelt erwarten kann“. Dass diese Art von Vertrag noch nicht zustande gekommen sei, hält Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband für eine „Bankrotterklärung“. Das gilt dann aber wohl für den Lobbyverband der Landwirte genauso wie für die Bundesregierung. Nun soll es eine „Zukunftskommission Landwirtschaft“ richten. Dafür ein Konzept zu erarbeiten, gab Kanzlerin Angela Merkel beim DBV-Präsidenten Joachim Rukwied und Dirk Andresen in Auftrag.
Autor: Tim Bartels; Artikel aus UmweltBriefe Februar 2020.
Die Rede der Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf dem Agrarkongess lässt sich hier nachlesen: www.bmu.de/rede/rede-von-svenja-schulze-beim-agrarkongress-2020
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