Werden die Radwege sicherer, treten auch mehr in die Pedale. Am 8. Juni hat Stuttgart „als erste Stadt in Baden-Württemberg“, wie Bürgermeister Martin Schairer verlautete, eine Hauptstraße mit einer temporären Radspur umgesetzt. Es sind nur zwei Abschnitte mit 700 und 400 m. Ein Experiment bis 4. Oktober, denn die „Umweltspur“ müssen sich die Radler mit dem Linienbus teilen. „Sollten sich bei steigenden Verkehrsmengen negative Wirkungen insbesondere für die Linienbusse ergeben, werden die Interimsradfahrstreifen überarbeitet oder müssen rückgängig gemacht werden“, heißt es aus der Landeshauptstadt im Südwesten.
Improvisierte Radwege in der Corona-Krise
Im Norden, in Hamburg, hatten bereits im Mai erst der ADFC und später auch Greenpeace jeweils improvisierte Radstreifen eingerichtet, um das „dringende Bedürfnis für breitere Radwege“ deutlich zu machen. Der Senat will nun in der Hafencity eine Autospur zum Radweg umwidmen – „zu Testzwecken“.
Und auch München hat fünf neue Radwege auf sechs Straßenabschnitten eingerichtet. Vorerst bis Ende Oktober. Dann werde man sehen, ob sich das bewährt hat und sich erneut damit befassen, sagt OB Dieter Reiter.
Experiment, Test, Bewährungsprobe – nicht umsonst heißen die Pop-up-Radwege in der Verwaltung „temporär“. Sie müssen wieder weg, wenn der Autoverkehr nach der Krise wieder zu kollabieren droht. Doch so wird nichts aus der Verkehrswende.
Vorzeige-Kommune Berlin-Kreuzberg
Deswegen schauen derzeit viele nach Berlin, wo vor allem der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sehr erfolgreich Pop-up-Radwege einrichtet. Hier sind nur die gelbe Klebefolie und die rot-weißen Baken temporär. Der für Radler neu geschaffene Platz wird ihnen nämlich nicht mehr genommen, sie sollen laut der Berliner Senatsverwaltung in dauerhafte Radwege überführt werden.
Mit ihrem bundesweit einzigartigen Mobilitätsgesetz, das Mitte 2018 in Kraft trat und dem fließenden (Rad-)Verkehr Vorrang vor dem ruhenden PKW (Parkspuren) einräumt, war die Kärrnerarbeit schon geschafft. Berlin hatte also die jetzt aufploppenden Radwege schon vor Corona planerisch angelegt? „Nein“, widerspricht da Felix Weisbrich vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Für die dort bislang auf 7 km geklebten Radstreifen – 20 km sollen es werden –, habe man die Planungen nach dem Mobilitätsgesetz nicht gebraucht, sagt der Leiter des Straßen- und Grünflächenamts. Vielmehr seien mit den ersten „Radweg-Baustellen“ sogenannte Regelpläne entwickelt worden, nach denen sich die Bezirke orientieren. „Ein wunderbares Instrument“, sagt Weisbrich, „um Dinge musterhaft umzusetzen.“ Jede Kommune könne diese Regelpläne anwenden. „Es braucht lediglich den politischen und einen verwaltungstechnischen Vollzugs-Willen – und eine Markierungsfirma, die auf Grundlage der getroffenen Anordnung tätig wird.“
Sind die Pop-up-Radwege nicht zu teuer? Auch hier widerspricht Weisbrich: Ein Kilometer koste 10.000 Euro für die Einrichtung und 10.000 für den Unterhalt. Und mit dieser Vorarbeit einer temporären „Baustelle“ würden sich die späteren Kosten beim Umbau in eine dauerhafte Radverkehrsanlage noch mal „dramatisch reduzieren“ lassen, sagt er. Seine Botschaft: „Es ist recht einfach.“
Die Regelpläne zur temporären Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen finden Sie als PDF unter www.berlin.de/sen/uvk/verkehr/verkehrsplanung/radverkehr/weitere-radinfrastruktur/temporaere-radfahrstreifen/
Autor: Tim Bartels, aus UmweltBriefe, Juli 2020
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