Des einen Leid des anderen Freud: Motorräder. Ihr Lärm wird bereits im Bundesrat verhandelt. Foto: Fernando Martinho/Adobe Stock
21. September 2020 | Bürgerinfo

Motorradlärm – für zu laute Biker gesperrt

Da gönnt man sich ein Wochenendhäuschen in der Eifel, idyllisch gelegen – und bereits nach einem Jahr wird wieder verkauft. Grund dafür ist aber keineswegs rüder Spekulationswille, sondern: der Motorradlärm am Wochenende. Hundert Motorräder am Tag, „alle zehn Minuten kommt so eine Brülltüte“. Tüte, so nennen viele Motorradfahrer ihre Auspuffanlage, deren Sound beim Biker Glücksgefühle auslöst. Dagegen drehen Anwohner am Rad – oder durch.

Initiative Motorradlärm

Nach Angaben des Städte- und Gemeindebunds (DStGB) sind auf Deutschlands Straßen viereinhalb Millionen Krafträder unterwegs. Die große Mehrheit der Biker verhalte sich besonnen und beachte die Regeln, so der DStGB. „Bewusst und gewollt zu laut“ sei nur etwa ein Prozent, heißt es bei der Polizei in NRW. Viele Modelle, etwa 20 Prozent, seien aber schon zu laut zugelassen. Nach wissenschaftlichen Studien sollen 40 Prozent aller Auspuffanlagen von Motorrädern manipuliert sein.

Und lauter werden neuerdings auch die Beschwerden der Anwohner sowie Hotel- und Gaststättenbesitzer vor allem im Sommer an Wochenenden. Auch immer mehr Kommunen haben den Lärm der überlauten Zweiräder satt. Der „Initiative Motorradlärm“ im Südwesten sind bisher 103 Städte, Gemeinden und Kreise beigetreten (Stand Juni 2020).

Temporäre Fahrverbote

Nun wurden sie erhört. Am 15. Mai 2020 votierte der Bundesrat mit großer Mehrheit für eine Vorlage aus NRW, welche die Bundesregierung auffordert, gesetzlich mehr gegen den Lärm von Motorrädern zu tun. Dazu liefert die Entschließung der Länderkammer auch gleich zehn Vorschläge. Die Beschlüsse des Bundesrats greifen alle Forderungen der „Initiative Motorradlärm“ auf. Zum Beispiel soll der Schalldruckpegel bei neu zugelassenen Motorrädern in allen Fahrzuständen – also nicht nur beim eher realitätsfernen Prüfzyklus – 80 Dezibel (db(A)) nicht überschreiten. Das Manipulieren der Bikes solle härter bestraft werden, die Polizei für den Fall von Lärmbelästigung rascher eingreifen dürfen. Echtes Aufsehen und den Protest Tausender Biker erregte aber eine andere Forderung: streckenbezogene, temporäre Fahrverbote.

Runder Tisch Motorradlärm

Vorbild könnte da das österreichische Bundesland Tirol werden. Dort sind bestimmte Strecken für Motorräder verboten, deren Standgeräusch bei über 95 db(A) liegt. Dabei sagt das Standgeräusch im Fahrzeugpapier eigentlich nur wenig über die Lautstärken während der Fahrt aus. Darauf kommt es aber an, wenn man den Lärm eindämmen will. Der DStGB ist gegen Fahrverbote und schlägt beim Verkehrsministerium einen „Runden Tisch Motorradlärm“ vor. Daran sollen neben Kommunen auch die Hersteller sitzen, welche sich freiwillig verpflichten könnten, leisere Motoren zu produzieren. In diesem Rahmen sollte man auch über eine Anpassung der Lärmgrenzwerte sprechen. Eine Drosselung des Geräuschpegels um zwei bis drei Dezibel kann das Lautstärkeempfinden bereits halbieren.

Das fordern die Bundesländer

1. Motorräder müssen leiser und auch leiser gefahren werden. Rücksichtsloses Rasen sollte man empfindlicher als bislang ahnden. Bund und EU sind nun gefragt, die rechtlichen Vorgaben zu verschärfen: Der noch erlaubte Geräuschpegel müsse „in allen Fahrzuständen“ auf 80 dB(A) begrenzt werden, so der Bundesrat.

2. Strafen bei Manipulationen. Eingriffe an Auspuff oder Luftfilter, die das Motorengeräusch erheblich steigern, sollten die sofortige Stilllegung des Fahrzeugs an Ort und Stelle nachsichziehen.

3. Bundesweite Kampagne. Solcherart Öffentlichkeitsarbeit soll die Motorradfahrer für angemessene Fahrweisen sensibilisieren. Die Entschließung des Bundesrats Mitte Mai mobilisierte bereits Tausende Biker in vielen Städten zu demonstrierenden Sternfahrten und Krad-Korsos. Vielen Motorradfahrern ist das Problem also bewusst.

4. Displays „Leiser!“ – „Langsam!“ Displays „Leiser!“ – „Langsam!“ Von Motorradlärm geplagte Städte und Gemeinden, sowie Land- und Stadtkreise sollten sich Display-Anzeiger gegen Motorradlärm anschaffen. Diese Technik eignet sich auch für ein Lärmmonitoring.

5. Umstieg auf nachhaltige und leise Mobilität. Lärmarme Motorräder mit alternativen Antriebstechniken wie zum Beispiel den Elektroantrieb sollen unterstützt werden.

6. Wirksame Messverfahren. Damit sollen die rechtlichen, technischen und personellen Kontrollmöglichkeiten bei „offensichtlich überlauten“ Motorrädern ausgeweitet werden.

7. Fahrverbote. Vor allem dagegen richtet sich der Protest der Motorradfahrer. Der Bundesrat fordert nämlich für besonders betroffene Streckenabschnitte Tempolimits und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen. Von pauschalen Wochenendfahrverboten war aber nie die Rede. Die Länder fordern lediglich temporäre Fahrverbote an besonders konfliktbelasteten Stellen. Dennoch ist der Städte- und Gemeindebund dagegen.

Forderungen des Bundesrats:  www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0101-0200/125-20(B).pdf

Lärmgrenzwerte

Laut der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) müssen neue Motorräder 77 dB(A) einhalten. Dieser Geräuschpegel entspricht in etwa der Lautstärke eines Klavierspiels.

  • Der Grenzwert wird bei Tests ermittelt, die die Realität innerorts, aber nicht fürs Umland abbilden: Gemessen wird nämlich über 20 m beschleunigt auf 50 km/h im 2. o. 3. Gang. Für Geschwindigkeiten von mehr als 80 km/h gibt es kein Limit. Je nach Fahrweise können die Maschinen also viel lauter als 77 dB(A) sein.
  • Biker ändern ihren Sound, indem sie die Klappen ihres Auspuffs verstellen. Sind die ganz offen, wird das Abgasrohr zur „Brülltüte“.
  • Neue Regeln sollen von 2024 an als Euro 5 gelten. Es wird dabei neuerdings diskutiert, den Messbereich auf 100 km/h auszuweiten.

UN Vehicle Regulations:  www.unece.org/?id=39143

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, September 2020.

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