Erdgas wird z.B. am Hamburger Hafen gespeichert
Erdgas wird z.B. am Hamburger Hafen gespeichert. Foto: Calado / AdobeStock
6. April 2022 | Energie und Wärme

Denkmal Erdgas

„Wir sind in einer Situation, wo jede eingesparte Kilowattstunde hilft.“ Sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Ende März, nachdem er vorsorglich die erste von drei Eskalationsstufen des Erdgas-Notfallplans ausgerufen hatte.

Lieferstopp für Erdgas aus Russland

Damit reagierte Habeck auf den drohenden Lieferstopp Russlands. Dessen Präsident Wladimir Putin forderte nach seinem militärischen Überfall auf die Ukraine als Reaktion auf die gegen ihn verhängten Sanktionen der EU, Zahlungen nur noch in Rubel zu akzeptieren. Die G7-Staaten lehnen das ab. Ob Putin die Gaslieferung nun tatsächlich einstellt, bleibt unklar. Der deutsche Importanteil russischen Erdgases lag 2021 bei 47 Prozent. Würde der Ernst- bzw. Notfall greifen, käme es zur prioritären Versorgung privater Haushalte und sozialer Dienste. Die Industrie müsste ihren Verbrauch zurückfahren.

Sparen, sparen, sparen

So oder so aber wäre Gas einzusparen sinnvoll – nicht zuletzt, weil bis zum kommenden Herbst die Erdgas-Speicher stärker gefüllt sein sollen als vergangenen Winter. Derzeit liegen die Speicherstände laut Habeck bei 25 Prozent. Der Klimaschutzminister appellierte auch an deutsche Unternehmen und an die Verbraucherinnen und Verbraucher, „dass Sie uns, Deutschland und der Ukraine damit helfen, wenn Sie Gas insgesamt einsparen“.

Dass dieser Appell für Industrieunternehmen ins Leere läuft, meint Michael Sterner von der OTH Regensburg gegenüber dem Science Media Center (SCM) in Köln: „Die energieintensive Industrie ist schon immer auf Energiesparen und Effizienz getrimmt, sonst wäre sie nicht kosteneffizient und wettbewerbsfähig.“ Ein Gas-Stopp lasse sich durch noch mehr Energiesparen nicht auffangen, so der Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher Fenes. „Ein Abstellen hätte also massive Auswirkungen auf die Produktion und damit die Arbeitsplätze.“

Wie lässt sich fehlendes russisches Erdgas kompensieren?

Deutschland allein, sagt Leander Kotzur vom Forschungszentrum Jülich, könnte „mit Einsparmaßnahmen knapp ein Drittel des verbrauchten russischen Erdgases kompensieren“. Dies würde aber einen verstärkten Einsatz der Kohlekraftwerke bedeuten – und demzufolge erhöhten CO2Ausstoß. Kotzur leitet im Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung die Abteilung „Integrierte Modelle und Szenarien“. Offen sei, so der Wissenschaftler, inwieweit sich die Flussrichtung des europäischen Erdgas-Netzes von Ost nach West umdrehen lasse, „also das Gas von Westen nach Osten zu pumpen“. Insbesondere die iberische Halbinsel verfüge über große LNG-Terminal-Kapazitäten, aber nur über eine kleine Pipeline nach Frankreich.

Die Bundesregierung beschloss Ende Februar den raschen Bau von zwei eigenen LNG-Terminals am Ufer der Elbe. Doch das könnten verlorene Investitionen sein, warnt die Denkfabrik Agora Energiewende. Denn bis die teuren Flüssiggasanlagen fertig gebaut seien und sich rechneten, müsste der Bund sich über Jahrzehnte hinaus mit langfristigen Lieferverträgen festlegen. Die Klimaziele dürften dann unerreichbar werden.

Ausbau von Wärmepumpen und Erneuerbaren Energien

Wenn die russischen Gasimporte komplett ausblieben – 2021 waren es 400 TWh –, rechnet die Agora in ihrer Studie vor, könnten deutsche Haushalte und Unternehmen es schaffen, die Gasnachfrage vorübergehend um 160 TWh bis 260 TWh zu senken. Dies setze voraus, dass der Bund kurzfristig 500 TWh an anderweitigen Energieeinfuhren (überwiegend LNG) beschaffen könne und alle EU-Staaten ähnlich starke Einsparschritte unternähmen. Seinen Gasbedarf könnte Deutschland bis 2027 nachhaltig um ein Fünftel senken, wenn es im großen Stil in Wärmepumpen, Effizienztechnik und den Ausbau der Erneuerbaren investiere.

Das Impulspapier der Agora Energiewende gibt es unter unter  Publikation – Energiesicherheit und Klimaschutz vereinen (agora-energiewende.de)

Eine FAQ-Liste zum Notfallplan Gas steht bereit unter  BMWK – FAQ Liste – Notfallplan Gas

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, April 2022.

Bestellen Sie kostenlose Ansichtsexemplare der UmweltBriefe

Überzeugen Sie sich von dem hohen Praxisnutzen und Mehrwert, den die  UmweltBriefe bieten. Zwei kostenlose Probehefte sind für Sie reserviert:  www.walhalla.de/probeabo-umweltbriefe