Der Igel als Symbolbild für die Artenvielfalt von Säugetieren in Deutschland
Der Igel steht unter Deutschlands Säugetieren neuerdings auf der „Vorwarnliste“. Vor zehn Jahren galt das stachlige Tier noch als „ungefährdet“. Die Rote Liste offenbart alle 10 Jahre, wie es um die Artenvielfalt steht. Foto: AdobeStock
17. November 2020 | Naturschutz und Biodiversität

Artenvielfalt: Alarmstufe Rot

Die neue Rote Liste der Säugetierarten

Neben den hierzulande vom Aussterben bedrohten Arten Feldhamster, Hausratte, Große Hufeisennase und Nymphenfledermaus sind drei neue Säugetierarten hinzugekommen. In der aktuellen Roten Liste von 2020 tauchen nun auch das Graue Langohr, der Luchs und der Zwergwal unter dieser Alarmstufe 1 auf. Von diesem Rang runtergewandert sind dagegen die Kleine Hufeisennase, die Waldbirkenmaus und der Wolf. Canis lupus hat seit 2009 deutlich zugenommen, genauso wie Kegelrobbe, Fischotter, Dachs und Biber. Die Rote Liste gefährdeter Säugetierarten dokumentiert den Zustand der Artenvielfalt in Deutschland.

Insgesamt „positiv entwickelt“ haben sich in den vergangenen zehn Jahren laut der neuen Liste 17 Säugetierarten, bei weiteren 39 Spezies ist zumindest eine stabile Entwicklung festgestellt worden. Das sind immerhin mehr als die Hälfte der knapp hundert bewerteten Arten. Also mehrheitlich alles gut unter Deutschlands Mammalia?

Kegelrobbe und Feldhamster

Als „ein vollkommen heterogenes Bild“ bezeichnet es der Säugetierexperte und Ko-Autor der Roten Liste, Holger Meinig: „Es gibt Arten, denen es tatsächlich besser geht, klar. Das ist sicherlich der Fall zum Beispiel bei den Ostsee- und Nordseepopulationen der Kegelrobben, die nicht mehr verfolgt werden.“

Aber, so der Biologe, „Arten der offenen Feldflur gehen nach wie vor kontinuierlich zurück“. Damit sinkt die Artenvielfalt der in Deutschland lebenden Säugetiere stetig. Zum Beispiel der Feldhamster, der von der Weltnaturschutzunion IUCN mittlerweile weltweit als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft wird. Hierzulande habe sich beim Feldhamster die Situation gegenüber der letzten Roten Liste 2009 auch weiter verschlechtert, konstatiert Meinig.

Als Hauptgrund, warum für Cricetus cricetus kaum mehr Nahrung und Deckung übrigbleibe, werden die Anbaumethoden in der Landwirtschaft und die Geschwindigkeit der Bodenbearbeitung genannt. Weitere Gefährdungsursachen neben der intensiven land- und forstwirtschaftlichen Nutzung seien „Zerschneidungswirkungen durch Verkehrswege sowie die fortgesetzte Flächenversiegelung durch neue Wohn- und Gewerbegebiete sowie Verkehrsflächen“.

Klimawandel und Artenvielfalt

Dass sich auch der Klimawandel auf Wohl und Wehe der Säugetiere auswirkt, ist unbestreitbar, bislang aber noch nicht sattelfest erforscht. „Es gibt Vermutungen“, sagt Meinig, „aber die müsste man erst mal durch entsprechende Studien untermauern.“ Es sei beispielsweise beobachtet worden, „dass die Rauhautfledermaus jetzt schon Winterquartiere um den 60. Breitengrad rum bezieht.“ Normalerweise fliege die immer nach Südwestfrankreich oder Spanien, sagt der Säugetierexperte.

Er berichtet von neuen Phänomenen, „die man nachvollziehen kann“. Noch vor 30 Jahren seien überall im Nationalpark Bayerischer Wald, wo Blockschutthalden waren, Gartenschläfer vorgekommen, auch auf der höchsten Erhebung, auf dem Lusen, sagt Meinig: „Die Gartenschläfer sind da aber nicht mehr.“ Dagegen sei der Siebenschläfer nachgerückt. Das könnte schon ein Klimaeffekt sein, so der Biologe. Er hofft, für die nächste Rote Liste in zehn Jahren darüber bessere Aussagen treffen zu können. „Wir arbeiten momentan sehr intensiv am Gartenschläfer, zusammen mit dem Team Naturschutzgenetik des Senckenberg Forschungsinstituts, der Uni Gießen und dem BUND.“ Im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts. Denn neben der Mittelgebirgspopulation gibt es den Gartenschläfer auch in den Ballungsräumen Wiesbaden, Mainz, Frankfurt, Köln, Bonn.

Zum ersten Mal stellt das BfN Die Rote Liste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands (77 S.) online kostenfrei zur Verfügung:  www.bfn.de/themen/rote-liste/veroeffentlichungen.html

Weitere Infos auch unter  www.rote-liste-zentrum.de

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, November 2020.

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