Die 9 900 Biogas-Anlagen in Deutschland leisten zusammen genommen derzeit 6 GW und erzeugen sechs Prozent des Stromverbrauchs hierzulande: Das sind 33 TWh pro Jahr und fast genauso viel Wärme, die vor allem im ländlichen Raum genutzt wird. Eine Verdopplung dieser Leistung auf 12 GW bis 2030 wäre problemlos möglich, sagt der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Bis 2045 stellt er gar eine Vervierfachung der Biogasleistung in Aussicht – „ohne dass noch mehr Energiepflanzen angebaut werden müssten“.
Flexibilisierte Biogas-Anlagen könnten Strom liefern, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht – und damit den Bau neuer Gaskraftwerke, wie sie in der Kraftwerksstrategie vorgesehen sind, „überflüssig machen“, sagt er. Seide fordert dafür ein klares Signal der Politik und verlässliche Perspektiven, die über 2024 hinaus gehen.
Kein Biogas in der Kraftwerksstrategie des Bundes
Die Ampel-Regierung ringt derzeit um eine Strategie „für Investitionen in moderne, hochflexible und klimafreundliche Kraftwerke, die in der Lage sind, zukünftig Wasserstoff nutzen zu können“ – und zugleich bei Dunkelflaute Versorgungsicherheit gewährleisten. Was die Bioenergiebranche in dem bisher entworfenen Strategiepapier vermisst, ist das Wörtchen „Biogas“. Denn als flexible Backup-Kraftwerke, die einspringen sollen, wenn nur sehr wenig erneuerbarer Strom erzeugt wird, weil es bewölkt und windstill ist, sind bislang überwiegend fossile Energien vorsehen: Die Kraftwerksstrategie des Bundes plant 30 GW neue Gaskraftwerke, die sukzessive mit Wasserstoff (H2 ready) betrieben werden können.
Anlagen ohne Perspektive
„Diese werden 2045 nur wenige Stunden laufen“, sagt Horst Seide vom Fachverband Biogas (FVB). Das sei weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Stattdessen könnten umgebaute (statt neu gebaute) Biogas-Anlagen einen bedeutenden Anteil dieser fossilen Kraftwerksleistung ersetzen. „Die Betreiber wollen, wenn man sie lässt“, sagt Seide, der selbst zwei Biogas-Anlagen und sechs Biogas-Tankstellen im niedersächsischen Dannenberg betreibt. Doch nun drohe eher eine teilweise Stilllegung des Biogasparks, da in den nächsten Jahren für hunderte Anlagen der EEG-Vergütungszeitraum endet und die Ausschreibungsrunden für eine Abschlussvergütung zuletzt überzeichnet waren, also viele Betreiber leer ausgingen.
„Was, wenn nun Bürgermeister für ihre Wärmeplanung mit Biogas-Anlagen rechnen, die aber ohne Perspektive stillgelegt werden müssen?“, gibt Seide zu bedenken. Er fordert daher, das Ausschreibungsvolumen von derzeit zweimal 300 MW im Jahr (1. April und 1. Oktober) auf je 900 MW zu verdreifachen und den Flexibilitätsbonus im EEG zu verdoppeln. Dieser Bonus wurde für Biogas-Betreiber geschaffen, wenn sie ihren Strom direkt an der Börse vermarkten und flexibel genau dann mehr produzieren, wenn die Nachfrage hoch ist.
Sichere Energieversorgung dank Biogas
Flexibilisierte Biogas-Anlagen, sogenannte Speicherkraftwerke, können so nach dem Ausstieg aus Kohle und Atomkraft einen wertvollen Beitrag zur sicheren Energieversorgung leisten. Zum Beispiel in Löffingen im Hochschwarzwald bei Wolfram Wiggert: „Wir betreiben seit 2006 unsere Biogasanlage, um einen effizienteren, nachhaltigen Ackerbau zu betreiben“, sagt der Land- und Energiewirt. Das Substrat stammt fast zur Gänze von seinem Haslachhof: neben Klee und Luzernegras vor allem Grünroggensilage und Rindermist aus artgerechter Tierhaltung.
Beispiel Löffingen
Zwei BHKWs mit insgesamt 500 kW liefen mit dem Biogas rund um die Uhr. Dann kamen 2017 und 2020 die Schritte zur Flexibilisierung: Wiggert stellte sich ein drittes großes BHKW mit 1,6 MW auf den Hof und einen Gasspeicher. „Die BHKWs laufen in der Regel nur in den Morgen- und in den Abendstunden, wenn die Stromnachfrage am höchsten ist.“ Der Haslachhof wurde zum Ursprung des Löffinger Nahwärmenetzes. Dort wird die anfallende Abwärme der BHKWs vollständig eingebracht und gelangt zu bisher 300 Anschlussnehmern. „Und wir wollen das Netz natürlich ausbauen so weit als möglich“, sagt Udo Brugger von den Stadtwerken Löffingen. Um ganztägig verlässlich für Wärme sorgen zu können, hat Wiggert zusätzlich zwei Pufferspeicher von je 100 m3 Volumen errichten lassen. Die Anlage könne auch kleine Nachfragespitzen, die in einer Viertelstunde entstehen, bedienen, schwärmt Wiggert: „Also höchst flexibel – und das kann kein Gaskraftwerk.“
Autor: Tim Bartels, in UmweltBriefe, März 2024
Der FNR zeigt zum Speicherkraftwerk Haslachhof ein Best-Practice-Video unter Biogas-Speicherkraftwerk Haslachhof in Baden Württemberg (youtube.com)
Das Positionspapier des Fachverband Biogas zur Kraftwerksstrategie des Bundes: Kraftwerksstrategie ohne Biogas? – Fachverband BIOGAS
Vorschläge der Bioenergielobby zum künftigen Anlagenbetrieb: Positionspapier Vorschläge zum Abbau regulatorischer Hemmnisse für die Bioenergie :: Hauptstadtbüro Bioenergie (hauptstadtbuero-bioenergie.de)
Fachverband Biogas: Homepage – Fachverband BIOGAS
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