Der deutsche Wald als Dauerpatient
Die Folgen des Klimawandels, Dürre, Stürme, der Borkenkäfer: Der deutsche Wald ist ein Dauerpatient. Foto: Countrypixel/AdobeStock
10. Juni 2024 | Naturschutz und Biodiversität

Der deutsche Wald als Dauerpatient

„Der Wald entwickelt sich zum Dauerpatienten“, sagte Mitte Mai Bundesforstminister Cem Özdemir bei der Vorstellung der Waldzustandserhebung 2023. Tatsächlich ist der deutsche Wald schon seit mehr als zwanzig Jahren krank, liest man in frühere Schadensberichte und deren Bewertung.

Der Waldzustand in den vergangen Jahren

Zum Beispiel 2003: Dauerpatient ohne Boden unter den Füßen. Oder 2004: Patient Wald so krank wie nie zuvor. 2005 und 2006: Der deutsche Wald bleibt ein Dauerpatient. 2008: Dauerpatientin Deutsche Eiche. Damals führte man die Baumschäden vor allem auf die Übersäuerung des Waldbodens aufgrund von Schwefelaltlasten und hoher Stickstoffeinträge zurück. Aber auch als Folge des trockenen Rekordsommers 2003. Nun leidet Wald und Forst hierzulande immer noch unter den drei Dürrejahren 2018 bis 2020. Keine Chance auf Erholung. 2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der DWD-Aufzeichnungen.

Überfällig sei daher ein neues Bundeswaldgesetz, finden Umweltschützer. Dagegen drängen Waldverbände auf „Beibehaltung des geltenden und bewährten“ Paragrafenwerks – es stammt aus dem Jahr 1975.

Die Waldzustandserhebung

Die Waldzustandserhebung 2023 zeigt ein genau so desaströses Bild wie im Vorjahr: Vier von fünf der Hauptbaumarten Buche, Eiche, Fichte und Kiefer sind krank. Allein die trockenheitstolerantere Kiefer konnte sich etwas erholen: Ihr Anteil deutlicher Kronenverlichtungen sank von 28 auf 24 Prozent, der gesunde Anteil stieg von 13 auf 23 Prozent. Dagegen waren in 43 Prozent der Fichten starke Schäden zu beobachten (2022: 40 Prozent), ohne Kronenverlichtung waren nur 17 Prozent (2022: 24 Prozent). Unter den Hauptbaumarten weist die Fichte laut Zustandsbericht die höchste Absterberate auf. Sie erholt sich offenbar nicht mehr. Für die Buche sind 46 Prozent deutlicher Kronenverlust dokumentiert, gesund sind nur noch 15 Prozent (2022: 21 Prozent; 1984: 50 Prozent). Bei der Eiche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 40 Prozent auf 44 Prozent gestiegen, der Anteil ohne Kronenverlichtungen sank leicht auf 17 Prozent (1984: 54 Prozent!).

Besorgniserregend findet der EU-Grüne Martin Häusling, dass hauptsächlich Bäume älter als 60 Jahre von Schäden betroffen seien. „Sie sorgen für eine gute Waldstruktur und hohe Diversität und ergeben eine andere ökologische Wertigkeit als jüngere Wälder.“

Ein neues Bundeswaldgesetz?

Das neue Bundeswaldgesetz müsse nun endlich ins Verfahren kommen, sagt Häusling, damit ökologische Mindeststandards und der Waldumbau zu widerstandsfähigen Mischwäldern verpflichtend umgesetzt würden. Dabei fürchten die Waldeigentümer- (Verbände) offenbar nichts mehr als ein neues Waldgesetz. „Wir brauchen Pragmatismus, keine zusätzliche Regulierung, die den notwendigen klimaresilienten Waldumbau lähmt“, teilt AGDW-Präsident Andreas Bitter mit.

Im Jahresmagazin der AGDW wird der Minister Özdemir gefragt, warum er für sein neues Waldgesetz nicht dem Wissenschaftlichen Beirat für Waldpolitik folge. „Wir folgen ihm“, antwortet Özdemir. „Der Beirat schlägt ein Mindestmaß an einheitlichen Standards vor, die sich aus der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ergeben. Auf diesen Mindeststandards sollen dann weitere Instrumente aufbauen, wie die Förderung, um die waldpolitischen Ziele zu erreichen.“ Ein Mix aus wenigen einheitlichen Regeln und Spielräumen sei das Erfolgsrezept, das der Beirat vorschlage, so Özdemir. „Und das werde ich auch so anwenden“, so der grüne Forstminister gegenüber der AGDW. Doch die Novelle des Bundeswaldgesetzes kommt derzeit nicht vom Fleck und hängt offenbar fest in der Ressortabstimmung.

Waldeigentümer-Präsident Andreas Bitter betont, „dass nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen die Ursache für die Waldschäden sind, sondern der Klimawandel und dessen Folgen“. Nicht ganz so eindeutig sehen das die Umweltverbände. Neben der Klimakrise sei auch „die intensive Forstwirtschaft ein Haupttreiber des Waldsterbens“, sagen sie.

Der NABU fordert zeitgemäße gesetzliche Vorgaben für ein Kahlschlagverbot, ein Entwässerungsverbot, mehr Schutz für den Waldboden sowie einen zügigen Waldumbau weg von naturfernen Nadelforsten hin zu stabileren und widerstandsfähigeren Laubmischwäldern aus vor allem Eichen, Buchen, Weißtannen, Ahornarten und Linden.

Waldklimafond den Sparplänen zum Opfer gefallen

Förderung für den Waldumbau gibt es künftig nicht mehr aus dem Waldklimafonds, der dem Sparzwang des Bundes zum Opfer gefallen ist. Für Waldfördermaßnahmen seien im Bundeshaushalt für dieses Jahr 250 Mio. Euro allein über die GAK und das Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement eingeplant, teilte Özdemir mit.

Autor: Tim Bartels, in  UmweltBriefe, Juni 2024


Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement unter:  Förderprogramm Klimaangepasstes Waldmanagement (klimaanpassung-wald.de)

Die Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2023 finden Sie unter  BMEL – Wald in Deutschland – Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2023

Die AGDW – die Waldeigentmer:  Startseite der AGDW – Die Waldeigentümer (waldeigentuemer.de)


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