Mit den dezentral installierten Erneuerbaren Energien wird die Energieversorgung in den Flächenländern immer stärker sichtbar. Wer ist da besonders erfolgreich? Was gibt es für Hemmnisse? Antworten darauf gibt der Bundesländervergleich der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE e.V.).
Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg sind Deutsche Meister der Energiewende
Deutsche Meister der Energiewende sind derzeit Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Der hohe Norden und der Südwesten liegen vorn in der Vergleichsstudie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) zum sechsten Mal erstellt haben. Im Fall des windreichen Fleckens zwischen den Meeren leuchtet die Spitzenposition sofort ein: 2018 waren dort 6 727 MW Windkraft installiert. Noch mehr Leistung haben nur Brandenburg (7 104 MW) und Niedersachsen (11 080 MW).
Doch Baden-Württemberg? Dort drehen sich doch nur wenige Windräder. Tatsächlich sind es zwischen Wertheim und Lörrach 1 602 MW – diese Leistung entspricht aber nur 4,4 Prozent des Windstrompotenzials, wenn zwei Prozent der Landesfläche zur Verfügung stehen. Baden-Württemberg ist damit in puncto Windstrom Schlusslicht unter den Ländern. Wie kann es also sein, dass der Südwesten in Bezug auf Erneuerbare Energien als führend gilt?
Ganz einfach und zugleich kompliziert: DIW und ZSW haben nicht nur einen Indikator zu Rate gezogen, sondern 61! Darunter trumpft Baden-Württemberg auf mit seiner Programmatik (Klimaschutzgesetz), der Vorbildfunktion (Ökowärmegesetz und bald PV-Pflicht für Neubauten), den Zielen (25 Prozent CO2-Reduktion bis 2020, wird allerdings deutlich verfehlt), den Infos über die Nutzungsmöglichkeiten (z.B. ein Energieatlas), den Bemühungen zur Systemintegration und dem Monitoring. Auch im Ranking von 2017 konnte die Stuttgarter Landesregierung wegen ihrer „Anstrengungen“ hier die meisten Punkte erzielen. „Kein Land dominiert in allen Indikatorengruppen“, sagt Andreas Püttner vom ZSW. Vielmehr zeigten alle Bundesländer in den unterschiedlichsten Bereichen ihre Stärken und Schwächen.
Der Ländervergleich der Agentur für Erneuerbare Energien
Zum Beispiel Bayern: Dort liegen die Erfolge in der Solar- und Bioenergie; 41,1 Prozent des PV-Potenzials wird ausgeschöpft. Damit ist der solarverwöhnte Freistaat mit Abstand bester Sonnennutzer vor Sachsen-Anhalt (22,4) und Baden-Württemberg (21,3). Bayern dominiert auch die Wärmeerzeugung aus Pellets, hier rangiert der Südwesten auf Platz 2. Nach wie vor stark vernachlässigt wird bei Söder & Co. die Windkraft: Bayern nutzt nur 5,7 Prozent seines Erzeugungspotenzial. Die Seehofersche 10H-Regel, wonach der Abstand zur Wohnsiedlung das Zehnfache der Windradhöhe ausmachen muss, hat den Ausbau zum Erliegen gebracht.
Bundesweit sind 1 000 m gefordert. Doch jedes Land kann das mit einer eigenen Regelung unterlaufen. „Wir werden in jedem Fall von der Opt-out-Regel Gebrauch machen“, sagte Schleswig-Holsteins Energiestaatssekretär Tobias Goldschmidt bei der Präsentation der Vergleichsstudie. Diese Karte würde auch Baden-Württembergs Grüner Energieminister gern ziehen, doch mit dem Koalitionspartner CDU sei das nicht zu machen, sagte Franz Untersteller in Berlin.
Im Fall der „Anstrengungen zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel“ liegt Niedersachsen auf Platz eins vor Thüringen und Bremen. Niedersachsen zeichnet sich durch die höchsten Forschungsausgaben für Erneuerbare Energien aus. Die größten industrie- und technologiepolitischen Erfolge kann Hamburg verbuchen. Die Hansestadt punktet bei den Patenten sowie den Indikatoren zur Elektromobilität. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wiederum haben die höchsten Anteile von Beschäftigten in der Erneuerbarenbranche.
Wir stehen mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien immer noch am Anfang
Ziel auch dieser Vergleichsstudie ist es, dass die Länder voneinander lernen. Natürlich lassen sich nicht alle Ansätze von einem Land aufs andere übertragen. „Sie sollen nicht die Besten kopieren, sondern eher schauen, wo man sich was abschauen kann“, meint DIW-Energievize Wolf-Peter Schill. „Die Länder rufen sich an und sprechen miteinander über die Ergebnisse“, bestätigt Studienleiter Jochen Diekmann. Auch AEE-Chef Robert Brandt sagt: „Es gibt nach der Veröffentlichung immer viele Anfragen bei uns.“ Jedes Ranking ist ja immer nur eine Momentaufnahme. Schills Fazit lautet daher: „Wir stehen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien immer noch ziemlich am Anfang.“
Autor: Tim Bartels, aus UmweltBriefe, Dezember 2019
Die Studie steht als PDF bereit unter www.unendlich-viel-energie.de/mediathek/studien/bundeslaendervergleichsstudie-erneuerbare-energien-2019
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