Der Haidplatz in Regensburg ist ein gutes Beispiel für die zu große Flächenversiegelung in Städten.
Der Haidplatz in Regensburg ist ein gutes Beispiel für die zu große Flächenversiegelung in Städten. Foto: Frank Wagner/AdobeStock
11. September 2024 | Kommunales Nachhaltigkeitsmanagement

Flächenversiegelung: Kein Baum, nirgends

Hitzestress durch Flächenversiegelung: Wer bei 30 Grad durch die stark verdichtete Altstadt von Regensburg flaniert, leidet unter Hitzestress. Der Grund: zu viel Asphalt und Beton, aber zu wenige Bäume, die Schatten spenden. Die bayerische Welterbestadt ist zu fast 54 Prozent versiegelt, und es gibt nur 1,95 m3 Grünvolumen pro m2 Fläche. Das zeigen Daten der Potsdamer Firma Luftbild, Umwelt, Planung (LUP) im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Hitze-Check von 190 Städten

Der Verband bastelte daraus einen „Hitze-Check“ unter 190 Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern und vergab je nach Versiegelungsgrad und Grünvolumen Rote, Gelbe und Grüne Karten. Noch schlechter als Regensburg schnitten nur die Großstädte Ludwigshafen am Rhein (57,8 % Versiegelung/1,63 m3 Grünvolumen) und Heilbronn (54,3/1,96) ab. 24 Kommunen sahen Rot. Manche Städte wie z.B. Böblingen, Kaiserslautern und Offenbach weisen zwar einerseits viel Betonierung auf, haben aber andererseits auch viel Grün zu bieten. Diesen Städten gab die DUH Gelb. Immerhin 84 Städte zeichnen sich durch wohltuendes Grün aus, ihn ihnen wachsen reichlich Bäume, Hecken und Blühstreifen.

Flächenversiegelung in deutschen Städten

Deutschlandweit beträgt der durchschnittliche Anteil der Versiegelung an der Siedlungs- und Verkehrsfläche 45 Prozent. Dazu zählen bebaute Böden mit Wohnhäusern und Straßen, aber auch durchlässige Areale wie Parks und Friedhöfe. Eine Rote Karte vergab die DUH für die Städte, die mit über 50 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Anteil bebauter Fläche aufweisen. Am schlechtesten unter den 190 untersuchten Städten mit einer Versiegelung von fast 60 Prozent schneidet Ludwigshafen ab. Dort wirkt Hitze besonders belastend. Insgesamt liegen 31 Städte über 50 Prozent Versiegelungsgrad. Darunter haben aber sieben Städte vergleichsweise viel Grünfläche mit klimaregulierendem Effekt, angegeben als Grünvolumen in Kubikmeter (m3) pro Quadratmeter (m2) Fläche. Ein durchschnittlich hoher Laubbaum habe ein Grünvolumen von etwa 3400 m3, heißt es. Davon hat Stuttgart z.B. viel zu bieten (über 4 m3/m2), obwohl dort auch viel Fläche versiegelt ist. In Pulheim oder Wilhelmshaven ist relativ wenig Fläche undurchlässig bebaut (unter 45 Prozent), aber auch nur wenig dichtes, hochgewachsenes Grün vorhanden. Gut dagegen sieht es z.B. in Detmold, Ratingen, Potsdam, Jena und Berlin aus. Eine Grüne Karte erhielten weniger als die Hälfte der Städte (84).

Netto-Null-Flächenverbrauch durch Entsiegelung

„Zu viele Städte werden zur Hitzehölle“, bilanziert DUH-Chefin Barbara Metz. „Sie müssen ad hoc aufhören, zu versiegeln. Gebaut werden darf natürlich“, räumt Metz den Kommunen ein, „dafür aber sollte an anderer Stelle entsiegelt werden.“ An die Bundesregierung appelliert die DUH, den angestrebten Netto-Null-Flächenverbrauch bis 2050 auf 2035 vorzuziehen. Ins Raumordnungsgesetz müsste reingeschrieben werden, dass weitere Versiegelung zwingend erfordere, woanders zu entsiegeln. Umbau statt Neubau, fordert der Umweltverband.

Mehr Platz für Gewässer und Natur

Kommunen müssten mehr Platz für Gewässer und Natur in der Stadt schaffen. Unversiegelte Böden sorgen für Abkühlung und ermöglichen, dass Regenwasser versickern und im Boden gespeichert werden kann. Dafür könnten Parkplätze entsiegelt und natürliche Belage und Rasengittersteine verwendet werden. Auch Schulhöfe und andere öffentliche Plätze müssten vom Betonboden befreit werden. Vormachen, wie es gehen könnte, will die DUH mit Projekten in Mannheim (56,3 % versiegelt; Grünvolumen: 2,06 m3/m2) und Singen. Dort startet der Verband gemeinsam mit den zuständigen Kommunalverwaltungen Entsiegelungen und Begrünungen an vier Schulen in drei Stadtquartieren.

Altbaumbestand in Städten erhalten

Kommunen sollten sich zuvorderst um ihre älteren Bäume kümmern, empfiehlt der DUH-Leiter für Kommunalen Klimaschutz, Martin Zipf. Besonders ältere Bäume leisten einen wichtigen Beitrag fürs urbane Mikroklima. „Alte Bäume spenden viel Schatten und nehmen viel CO2 auf.“ Dadurch mindern sie den Hitzestress und erhöhen die Aufenthaltsqualität. Zudem binden sie Feinstaub, bilden Sauerstoff und verbessern damit die Luftqualität. Und nicht zuletzt reduzieren sie den Lärm, indem sie Schall absorbieren. Um einen Altbaumbestand in Städten zu erhalten, könnte man ihre Baumscheiben gezielt vergrößern und entsiegeln. Vorgeschlagen und diskutiert wird dies seit 2022 beispielsweise im Berliner Bezirk Lichtenberg. In den meisten Fällen, informiert das dortige Umwelt- und Naturschutzamt, bedeute eine nachträgliche Vergrößerung der Baumscheibe, dass umliegende Geh- und Radwege oder Straßen verkleinert werden müssen. Und „dies ist oftmals nicht möglich.“

Autor: Tim Bartels, in  UmweltBriefe, September 2024


Informationen zur Flächenversiegelung in Deutschland und zum Hitze-Check von Städten der DUH – Deutschen Umwelthilfe:  Zu viel Grau, zu wenig Grün: Viele deutsche Städte fallen durch im ersten Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe – Deutsche Umwelthilfe e.V. (duh.de)

Daten der Luftbild Umwelt Planung GmbH:  LUP – Luftbild Umwelt Planung (lup-umwelt.de)

Allgemeine Informationen zur Flächen- und Bodenversiegelung in Deutschland vom UBA – Umweltbundesamt:  Bodenversiegelung | Umweltbundesamt


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