Wegen des Klimawandels gibt es immer mehr Hochwasser
Die Häufigkeit und die Intensität von Hochwässern steigt. Foto: mbruxelles/AdobeStock, KI-generiert
10. Juli 2024 | Klimaschutz und Klimaanpassung

Hochwasser: Wie können sich Kommunen auf Starkregen vorbereiten

Wenn das Risikobewusstsein nach einer verheerenden Flut wieder verblasst und der Wille zu vorsorgendem Schutz schwächelt, spricht man von „Hochwasser-Demenz“. Doch mittlerweile bleibt die Erinnerung wach, da Häufigkeit und Intensität der Hochwässer steigen: Anfang des Jahres in Niedersachsen, zu Pfingsten im Saarland und zuletzt in Bayern und Teilen Baden-Württembergs.

Wie können sich Städte und Gemeinden auf diese Starkregenereignisse vorbereiten, wie ihre Resilienz gegenüber Extremwetterlagen in Deutschland stärken? „Jedes Hochwasser“, daran erinnert der NABU, „erzählt auch eine Geschichte über verfehlte Politik.“ Sie lässt die Bebauung in Überschwemmungsgebieten (wieder) zu, kürzt Maßnahmen zum ökologischen Hochwasserschutz und setzt geplante Flutpolderflächen nicht um.

Neues Hochwasserschutzgesetz

Dass dieses Jahr bereits drei starke Hochwässer Landschaften und Siedlungen überschwemmten, bezeichnete Umweltministerin Steffi Lemke im Interview gegenüber Spiegel online als „neue Realität“, die uns „in immer kürzeren Abständen einholt“. Hochwasser-Schutz vor immer größeren Fluten sei eine Daueraufgabe, sagte Lemke: „Wir müssen hier besser werden, die Vorsorge zu stärken.“ Die Ministerin arbeitet derzeit an einem neuen Hochwasserschutzgesetz. „Mein Ziel ist, dass die Bundesregierung es noch in diesem Jahr beschließt.“ Bereits jetzt soll ein sechs Milliarden Euro starkes Programm helfen, „eine Fläche so groß wie 33000 Fußballfelder für den Hochwasserrückhalt zu gewinnen“. Zudem sollen Flutpolder geschaffen werden als Rückhalteflächen, die „so viel Kapazität haben wie ein halber Chiemsee“, so die Ministerin.

Vorsorge ist billiger als Schäden zu reparieren

Vorsorge, sagt Lemke, sei viel billiger, als die Schäden nach einer Katastrophe wie jetzt in Süddeutschland oder 2021 im Ahrtal zu bezahlen. Die Flutschäden im Süden und Südwesten schätzt der Gesamtverband der Versicherer (GDV) auf zwei Milliarden Euro. In Norddeutschland seien zu Beginn des Jahres und im Saarland über Pfingsten Schäden von jeweils 200 Millionen Euro entstanden, so der GDV. Sogar knapp neun Milliarden Euro richtete die Katastrophe 2021 in Rheinland-Pfalz und NRW an Schäden an.

Naturschutz und Hochwasserschutz

Heftige Kritik löste die Ansicht des baden-württembergischen Landwirtschaftsministers Peter Hauk aus, wonach der Artenschutz neu bewertet werden müsse – weil z. B. der Biber mit seinen Dammbauten angeblich den Retentionsraum einenge. Hauk sieht Naturschutz eher als Verhinderer denn als Segen des Hochwasserschutzes: Bannwald würde aufgrund ausgeschwemmten Totholzes zum Problem, findet er. Auch die Renaturierung von Flüssen begreift Hauk nicht als Vorsorge zur Verringerung der Welle. „Hochwasserschutz geht vor!“, verlautet der CDU-Minister, als wäre das ein Gegensatz.

Dabei sei wissenschaftlich belegt, betont der BUND, dass Natur- und Artenschutz langfristig Hochwasserschäden mindern können. „Natürliche Überschwemmungsgebiete, Renaturierung von Flussläufen und Schutz von Feuchtgebieten tragen entscheidend zur Wasserregulation bei.“ Diese Maßnahmen bieten Retentionsräume und verringerten flussabwärts die Hochwassergefahr. Auch Biberdämme schafften nicht weniger, sondern zusätzlich Rückhaltebecken, die die Spitzen der Welle abflachen lassen und das Wasser langsam an die Umgebung abgäben. „Unsere Flüsse brauchen nicht weniger, sondern mehr Platz“, sagt auch der NABU in Baden-Württemberg. „Genau das ist das Ziel von Gewässerrenaturierungen und von ökologischem Hochwasserschutz“, so dessen Landeschef Johannes Enssle.

Zehn Punkte zum Hochwasserschutz

Mehr Raum für Flüsse durch Renaturierung und naturbasierte Maßnahmen zählen zu den Empfehlungen im Umgang mit Extremwetter, die der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vorgelegt haben. Für dringend geboten halten beide Verbände die Verbesserung des Wasserrückhalts in der Fläche und ein konsequentes Neubauverbot in Überschwemmungsflächen. Das Regenwassermanagement müsse künftig durch Schwammstadtkonzepte gestärkt, der Erosionsschutz verbessert und Hochwasserrisiken durch Kartierung transparent gemacht werden, heißt es in dem Zehn-Punkte-Papier.

Um die Gefahren durch Starkregen zu ermitteln und daraus „für seltene, außergewöhnliche und extreme Oberflächenabflussereignisse“ sogenannte Starkregengefahrenkarten zu erstellen, hat das Landesumweltministerium Baden-Württemberg bereits anno 2016 einen Leitfaden herausgegeben, der Ende 2019 und 2020 aktualisiert wurde.

Autor: Tim Bartels, in  UmweltBriefe, Juli / August 2024


Der Leitfaden Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg steht mit aktualisierten Anhängen bereit unter:  Leitfaden Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg (lubw.de)

Die gemeinsamen Handlungsempfehlungen zum Hochwasserschutz in einem 10-Punkte-Papier von DNR und BDEW finden Sie hier:  Handlungsempfehlungen_Hochwasserschutz_BDEW_DNR_062024.pdf


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