Sollen Jäger das deutsche Wolfs-Vorkommen regulieren und begrenzen dürfen? Oder sind Herdenschutz und Abschussausnahmen bei einzelnen Wölfen die Mittel der Wahl? Für Deutschlands Schäfer ist das einerlei, denn deren existentielle Krise begann schon lange vor der Rückkehr des Wolfes, wie jetzt eine Expertenanhörung im Umweltausschuss des Bundestages ergab.
Über 1000 Wölfe in Deutschland
Für den Deutschen Bauernverband (DBV) ist das Maß schon voll. Dessen Vertreter Eberhard Hartelt geht hierzulande von „über 1 000 Wölfen“ aus. Er findet es „verharmlosend, nur die Anzahl der Rudel oder Elterntiere zu nennen“. Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) hat 60 Wolfsrudel für 2016/17 ausgemacht. Ein Rudel besteht aus zwei erwachsenen Tieren und zwei bis zehn Jungtieren. Da sich der Wolf dynamisch entwickle, wie Wolfsforscherin Ilka Reinhardt bestätigte, könnten hierzulande 140 bis 160 adulte Tiere unterwegs sein. Ein „Günstiger Erhaltungszustand“ verlange aber gemäß IUCN-Kriterien nach 1 000 erwachsenen Wölfen, betonte Umweltrechtsprofessor Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Schutzstatus für den Wolf und Herdenschutz für die Schafe?
Aufgrund des strengen Schutzstatus für Canis lupus, wie der Wolf wissenschaftlich heißt, seien „lediglich Tötungsmaßnahmen im Einzelfall“ erlaubt, sagte UFZ-Professor Köck. Ginge es hingegen nach Eberhard Hartelt, dem DBV-Umweltbeauftragten, sollte schon jetzt zum Schutz der Weidetiere eine „Ansiedlung des Wolfes“ in Grünlandregionen, Küsten, Mittelgebirgen und Almen „konsequent durch Entnahme von Rudeln verhindert werden“. Es sei nämlich unmöglich, meint Hartelt, alle Weideflächen „wolfssicher einzuzäunen“.
Das Abschießen nütze gar nichts, sagte hingegen Ilka Reinhardt vom Lupus-Institut für Wolfsmonitoring und -forschung. Die Tiere dürften gar nicht erst lernen, „dass Schafe lecker sind“, sagte die Wolfsforscherin. Mit einer Bejagung sei den Schafhaltern nicht geholfen, es würde die Konflikte nicht minimieren. Außerdem sei ja schon jetzt ein Abschuss allzu dreister Tiere möglich, so Reinhardt. Sie plädierte dafür, von Ländern wie Polen, Italien und Spanien zu lernen, „in denen der Wolf nie weg war“. Dort funktioniere der Herdenschutz, in Deutschland dagegen gebe es noch „Nachholbedarf“.
Wie viele Wölfe denn ihrer Meinung nach hier maximal leben dürften, ohne dass man eingreifen dürfe, wurde Ilka Reinhardt von einem Abgeordneten der AfD gefragt; die Partei fordert auf Landes- und Regionalebene spezifische Obergrenzen. „Das ist nur Ihre Frage“, konterte da die Wolfsforscherin. „Den Menschen da draußen ist das völlig egal.“ Sie seien daran interessiert, so Reinhardt, wie man Konflikte mit dem Wolf lösen kann. Schieße man ein Exemplar ab, komme der nächste Wolf trotzdem.
„Wird ein Rudel entnommen, kommt sofort ein anderes nach“, pflichtete Hilmar Freiherr von Münchhausen der Biologin bei. Für den Artenschutzleiter der Wildtierstiftung muss Herdenschutz mit Elektrozäunen und Hütehunden „oberste Priorität haben“. Weidetierhalter seien wichtige Landschaftspfleger. Unter denen sind Schäfer am meisten von Wolfsrissen betroffen.
Schäfereien mit und ohne Wolf in der Krise
„Doch unsere wirtschaftlichen Probleme haben in Deutschland schon lange vor dem Wolf begonnen“, betonte Andreas Schenk vom Bundesverband der Berufsschäfer. Die Zahl der Schäfereien mit mehr als 500 Tieren sei zwischen den Jahren 2010 und 2017 um 13 Prozent auf 989 Betriebe gesunken. Ursache dafür sei die Intensivierung der Landwirtschaft. Zudem haben sich die Pachtpreise für Dauergrünland binnen zehn Jahren verdoppelt. „Der Wolf ist da, ja“, sagte Schenk, „aber wäre er nicht da, stünden wir trotzdem in der Krise.“ Ohne Lösung der ökonomischen Misere werde die haupterwerbliche Schäferei in den kommenden zwei Jahrzehnten verschwinden – unabhängig vom Wolf. Allein ein komplett von der Gesellschaft finanzierter Herdenschutz sowie eine „Weidetierprämie“ könnten den Niedergang der Schäferei noch stoppen.
Die Fraktionen der Linken und der Grünen unterstützen das und beantragten für Schafe und Ziegen in Weidehaltung eine Prämie, die als „ausnahmsweise an die Produktion gekoppelte Direktzahlung“ eingeführt wird. Was den Wolf betrifft, setzen sich beide Parteien dafür ein, Herdenschutz zu fördern, und wollen dabei „nicht nur Investions-, sondern auch Einsatzkosten berücksichtigen“. Etwa zur Zucht und Ausbildung von Herdenschutzhunden. Die FDP dagegen fordert, dass „der Wolf als jagdbare Tierart in das Bundesjagdgesetz“ sowie in den Anhang V der FFH-Richtlinie aufgenommen werde. Bislang nicht geäußert hat sich die Bundesregierung. Nur soviel: Im Juni soll ein Gesetzentwurf zum Wolf vorliegen.
Autor: Tim Bartels, aus UmweltBriefe, Mai 2018.
Weitere Informationen zum Wolfsvorkommen: Karte der Territorien – DBBW (dbb-wolf.de)
Antrag der Linken und Grünen auf eine Weidetierprämie: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/016/1901691.pdf