Symbolbild für Klimaklagen: Protestschild vor dem Karlsruher Ortsschild
Ein sensationeller Erfolg: Vioer Klimaklagen vor dem Bundesverfassungsgericht Ende April. Foto: hkarma/AdobeStock
6. Mai 2021 | Klimaschutz und Klimaanpassung

Klimaklagen: Klimaschutz hat Verfassungsrang

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe urteilte Ende April auf vier Klimaklagen, dass das Klimaschutzgesetz der schwarz-roten Bundesregierung mit den Grundrechten zum Teil unvereinbar ist. Begründung: „Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030“, teilte das Gericht der Presse mit. „Um diese hohen Lasten abzumildern, hätte der Gesetzgeber zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen.“

Klimaklagen

Das BVerfG urteilte auf die Klimaklagen von u.a. Aktivistin Luisa Neubauer gemeinsam mit jungen Menschen von Fridays-for-Future, unterstützt von der Deutschen Umwelthilfe, Greenpeace und Germanwatch sowie vom Solarenergie-Förderverein, BUND und Einzelklägern, wie u.a. dem Schauspieler Hannes Jaenicke und dem Berliner HTW-Professor Volker Quaschning. „Das zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits noch zustehende CO2-Budget von 3,465 Gigatonnen für Deutschland wäre mit den im Klimaschutzgesetz beschlossenen Zielen spätestens 2025 erschöpft“, sagte Rechtsanwalt Remo Klinger am Tag der Verfassungsbeschwerde. Wolle die Regierung dann eine Vollbremsung machen? Da das unmöglich sei, „ist es verfassungsrechtlich relevant“.

Schutz der Lebensgrundlagen künftiger Generationen

Das sahen die Richter genauso, denn: „Vorschriften, die jetzt CO2-Emissionen zulassen, begründen eine unumkehrbar angelegte rechtliche Gefährdung künftiger Freiheit, weil sich mit jeder CO2-Emissionsmenge, die heute zugelassen wird, die in Einklang mit Art. 20a GG verbleibenden Emissionsmöglichkeiten verringern.“ Gemäß dieses Artikels schützt der Staat „die natürlichen Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“. Das schließt den Klimaschutz mit ein und zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.

Bislang sind im Klimaschutzgesetz der Bundesregierung nur 55 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 festgeschrieben. Daraus schließt das BVerfG: „Die nach 2030 verfassungsrechtlich gebotene Treibhausgasminderungslast wird erheblich sein.“ Und das Risiko gravierender Belastungen so hoch, dass man es mit „den künftig betroffenen Freiheitsgrundrechten nur in Einklang“ bringen könne, „wenn dies mit Vorkehrungen (…) verbunden ist“. Eine Regelung über 2030 hinaus enthalte das Gesetz aber nicht, so die Richter. Der Gesetzgeber – also voraussichtlich die kommende  Bundesregierung – sei daher nun dazu „verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln“.

Ein sensationeller Meilenstein

Jurist Felix Ekart, der eine der vier Klimaklagen vertrat, hält das Urteil für „sensationell“. Erstmals habe eine Klimaklage vorm Bundesverfassungsgericht Erfolg. Die Politik werde massiv nachbessern und deutlich ambitioniertere Ziele und Instrumente festsetzen müssen. „Für uns Juristen, aber auch für alle anderen Bürgerinnen und Bürger ist es ein Meilenstein“, sagt auch Anwalt Klinger. „Klimaschutz ist Grundrechtsschutz.“ Diesen Satz hat das BVerfG bestätigt.

Bestätigt sieht sich auch Umweltministerin Svenja Schulze, die in den Verhandlungen zum Klimagesetz 2019 vorgeschlagen hatte, frühzeitig auch Ziele für nach 2030 festzulegen. „Doch dafür gab es damals keine Mehrheit.“ Nun kündigte sie an, „noch im Sommer Eckpunkte für ein in diesem Sinne weiterentwickeltes Klimaschutzgesetz“ vorzulegen. Erstaunlicherweise hält selbst Wirtschaftsminister Peter Altmaier das Urteil für „epochal“. Ist er es doch, der ehrgeizigere Ziele und schnelleres Handeln eher bremst. Anwältin Roda Verheyen hofft deshalb auch vielmehr auf den Tatendrang der nächsten Regierung. „Die nächste Legislaturperiode muss die Transformation endlich einleiten. Das ist ein Kraftakt, der vor uns liegt.“

Autor: Tim Bartels, aus  UmweltBriefe, Mai 2021.

Zur Entscheidung und Begründung des Bundesverfassungsgerichts:  Bundesverfassungsgericht – Presse – Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich

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