Das Klimaziel 2030 verfehlt vor allem der Verkehrssektor
Vor allem der Verkehrssektor verfehlt das Klimaziel 2030. Foto: Mike Mareen/AdobeStock
10. April 2024 | Klimaschutz und Klimaanpassung

Klimaziel 2030: Trotz Verkehr auf Klima-Kurs

Der Präsident des Umweltbundesamts (UBA), Dirk Messner, nennt es eine „Mutmacher-Nachricht“ im Hinblick auf das Klimaziel 2030: Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind 2023 um 10,1 Prozent gesunken. Das, so der UBA-Chef, sei u.a. auf die Energiewirtschaft zurückzuführen, die deutlich weniger Kohle verbrannte und ihre Emissionen damit um 20 Prozent reduzieren konnte.

Auch der milde Winter und Einsparungen wegen gestiegener Verbraucherpreise spielen hier eine Rolle. Im Industriebereich sank der Ausstoß der CO2-Äquivalente um 7,7 Prozent. „Treiber dieses Trends sind die negative konjunkturelle Entwicklung und Produktionsrückgänge“, sagt Messner. Weiterhin ein großes Sorgenkind bleibe aber der Verkehrssektor, der 2023 rund 146 Mio. t CO₂-Äquivalente ausstieß – und damit laut Klimaschutzgesetz um rund 13 Mio. t über der für 2023 erlaubten Jahresemissionsmenge lag.

Frohe Klimabotschaft

Diese frohe Klimabotschaft ließ sich Robert Habeck nicht nehmen, selbst zu verkünden: „Wir sind auf Kurs“, sagte der Bundesenergieminister, „und können unser Klimaziel für 2030 erreichen.“ Um bis dahin 65 Prozent weniger Treibhausgase zu emittieren, seien zu Beginn der Legislatur 1100 Mio. t zu überbrücken gewesen. Diese riesige Lücke habe sich laut letztjährigen UBA-Projektionsberichts auf 200 bis 300 Mio. t verringert.

Jahresemissionsgesamtmengen nach Sektoren

Nun zeigen die neuen Daten für den 2024er Bericht, dass die zulässigen „Jahresemissionsgesamtmengen“ bis 2030 sektorübergreifend eingehalten werden können. „Mit einer Ausnahme“, so Habeck: der Verkehrsbereich. Aber der werde überkompensiert durch die anderen Sektoren, was nach der geplanten Novellierung des Klimaschutzgesetzes (KSG) künftig zulässig werden soll.

Verkehr und Gebäude seien die beiden Sektoren, die sich bis 2030 mit Minderungslücken von 180 Mio. bzw. 32 Mio. t CO2 weiter vom Zielpfad entfernen werden, besagt die neue Projektion des UBA. Hingegen würden die Bereiche Energiewirtschaft (175 Mio. t mehr kumulierte Einsparungen als im KSG angestrebt), Industrie (37 Mio. t), Land- (29 Mio. t) und Abfallwirtschaft (17 Mio. t) die vorgesehenen Ziele bis 2030 übererfüllen.

Gute Bilanz für das Klimaziel 2030 oder nicht?

Damit komme Deutschland seinem Klimaziel, im Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, „mit den aktuell vorgesehenen Maßnahmen sehr nahe”, sagt UBA-Chef Messner. Klimapolitik wirke, sagt der grüne Wirtschaftsminister.

Nicht ganz so rosig wie Messner und Habeck kommentieren die nationale CO2-Bilanz eine Reihe von Expertinnen und Experten. Ein Großteil des Emissionsrückgangs sei nicht auf langfristig wirkende Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen, meint Manfred Fischedick vom Wuppertal-Institut, sondern auf wieder umkehrbare Entwicklungen: Deutschland sei zum Stromimportland geworden, milde Wintermonate sowie ungewollte Produktionsrückgänge um zehn Prozent in den energieintensiven Branchen. Auch die Einsparungen beim Gasverbrauch um etwa 15 Prozent gegenüber den Jahren 2018 bis 2021 müssen nicht von Dauer sein. Und die energetische Sanierungsrate sei „durch die Verunsicherung um die Förderung ab 2024“ zuletzt sogar auf unter 1 Prozent gesunken, statt zu steigen.

Verkehrssektor verfehlt Klimaziel

Überdies dürfe in der UBA-Projektion nicht übersehen werden, so Fischedick, dass Deutschland seine Minderungsziele auf EU-Ebene bis 2030 deutlich verfehlen werde, „da sich diese Ziele auf die Sektoren Verkehr und Gebäude beziehen, in denen auch in den kommenden Jahren nur sehr langsame Emissionsminderungen erwartet werden“.

Das findet auch Niklas Höhne vom Kölner New Climate Institute „besorgniserregend“. Es drohten hohe Zahlungen, da Zielverfehlung zum Zertifikatekauf zwingt. „Insgesamt wird das Ziel um 126 Mio. t CO2-Äquivalente überschritten. Bei einem grob geschätzten Preis von 100 Euro pro Zertifikat wären das 12 Mrd. Euro“, rechnet Höhne vor.

Auch für den Verkehr seien die Zahlen sehr ernüchternd, findet Gunnar Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Die Emissionen verbleiben auf viel zu hohem Niveau, die öffentlichen Verkehrsmittel sind überlastet und werden nicht schnell genug ausgebaut, der Anteil von E-Autos an Autoverkäufen stagniert, während über zwei Millionen Verbrenner neu zugelassen wurden.“ Es sei nicht abzusehen, dass der Verkehr seinen Anteil an den notwendigen Emissionsminderungen leisten könne, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen.

Autor: Tim Bartels, in  UmweltBriefe, April 2024


Die vom UBA präsentierten Zahlen zu Treibhausgasemissionen können Sie nachlesen unter:  Klimaemissionen sinken 2023 um 10,1 Prozent – größter Rückgang seit 1990 | Umweltbundesamt und  Nationaler Emissionshandel: CO₂-Emissionen sanken 2022 um 5,9 Prozent | Umweltbundesamt

Eine Analyse der Agora über den Stand der Energiewende 2023 und 2024:  Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2023 (agora-energiewende.de)


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