Ziemlich beste Feinde: Özdemir gegen Rukwied
Geht es nach Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, muss die heimische Tierhaltung aus Klimaschutzgründen reduziert werden. „Weniger Tiere besser halten“, lautet sein Leitsatz. Doch Bauernpräsident Joachim Rukwied will die Anzahl der Nutztiere nicht reduzieren. „Wir Menschen brauchen tierisches Eiweiß für eine gesunde Ernährung“, lautet sein Credo für Fleisch aus Massentierhaltung.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) widerspricht dem Landwirt aus Nordwürttemberg und kann auch „eine ausgewogene und abwechslungsreiche ovo-lacto-vegetarische Ernährung, ohne Fleisch und Fisch, aber mit Eiern und Milchprodukten“ empfehlen. Der grüne Minister ernährt sich seit seiner Volljährigkeit vegetarisch. Nichtdestotrotz soll Rukwied in Bad Cannstatt „coram publico“ zu Özdemir gesagt haben: „Herr Minister, die nächste GAP muss grüner werden!“
Ernüchternde Bilanz für Umweltverbände
Grünen-Agrarminister Cem Özdemir ist jetzt mehr als 14 Monate im Amt. Seine Bilanz beurteilen Umweltverbände sehr kritisch. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) findet sein bisheriges Handeln bzw. Nichthandeln „ernüchternd“. Die AbL wirft ihm vor, dass er nicht bereits den Strategieplan der Vorgängerregierung zur GAP-Periode 2023 bis 2027 im ökologischen und sozialen Sinne überarbeiten ließ. Da hätte das Ministerium das Geld bereits fairer verteilen können, meint AbL-Referent Phillip Brändle, nämlich sowohl mit dem Instrument „Kappung und Degression“, wonach Betriebe steigender Größe weniger Zahlungen erhalten, als auch mit der Regelung, dass Konzerne, deren Direktzahlungen weniger als fünf Prozent ihrer Einkünfte aus nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeiten betragen, davon auszuschließen sind.
Artenschutz und Bodenschutz vertagt
Aussetzen ließ Cem Özdemir auch für dieses Jahr die Verpflichtung, vier Prozent der bewirtschafteten Fläche für Regeneration und Artenvielfalt zu reservieren. Auch die Pflicht, auf dem Acker nicht zweimal hintereinander dieselben Getreidearten anzubauen, was den Boden schonen soll, will Özdemir erst vom kommenden Jahr 2024 an einführen.
Neue Haltungskennzeichnung für Schweinemast
Was er bisher allein auf den Weg gebracht hat und im Bundestag jetzt abschließend behandelt wird, ist ein verpflichtendes Haltungskennzeichen für die Schweinemast. Vorgesehen sind fünf Kategorien: Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland sowie Bio. Letztere entspricht der EU-Ökoverordnung, was „eine noch größere Auslauffläche und noch mehr Platz im Stall“ bedeutet. Fleisch aus dem Ausland soll auf freiwilliger Basis gekennzeichnet werden können; deutsche Landwirte erhalten eine Anschubfinanzierung, damit sie ihre Schweine tierfreundlicher halten können: Insgesamt sind dafür während der kommenden vier Jahre eine Milliarde Euro im Bundeshalt reserviert.
Dass daraus aber für Landwirte gar keine Verpflichtung resultiert, an der Haltungsform etwas zu verändern, kritisiert nicht nur Thomas Schröder vom Tierschutzbund. „Man kriegt das Kennzeichen und braucht erst mal nichts zu machen.“ Zudem stelle es ja nur fest, was in den Ställen los sei und berücksichtige gar nicht Transport und Schlachtung. Und noch einen Fehler sieht Schröder: nur mit einer Tierart zu beginnen. „Es fehlen alle andere Tierarten.“ Dabei sollen Özdemir zufolge weitere Bereiche wie Gastronomie und Außer-Haus-Verpflegung sowie Tierarten wie Rinder und Geflügel später dazukommen.
Auf dem richtigen Weg
„Unsere Enttäuschung ist sehr groß“, sagt BUND-Vize Myriam Rapior. Der Bundeslandwirtschaftsminister bleibe hinter seinen Möglichkeiten. Dabei sende er die richtigen Botschaften, findet AbL-Mann Brändle. Tatsächlich betont Cem Özdemir während der Grünen Woche in Berlin („meine Feuertaufe als Agrarminister“) mehrmals täglich, auf Tagungen, Pressekonferenzen, bei Rundgängen durch die Messehallen, vor Verbändeständen, ja wo er auch geht und steht, immer wieder sein Bemühen, nicht nur die Produktionsweisen in der Landwirtschaft, sondern das gesamte Agrarsystem umbauen zu wollen.
„Wir wollen künftig nicht mehr Fläche fördern, sondern Maßnahmen für Umweltschutz, für Tierschutz, für Artenschutz. Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“, so sein Credo. Özdemirs Ziel sei „ein langsames Fading out der Direktzahlungen“. Doch immer wieder bittet er um Geduld. Die aktuelle GAP sei „geerbt, da haben wir wenig Spielraum“. Sein Fokus liegt auf der nächsten Förderperiode von 2027 an. „Jetzt besteht die Möglichkeit, gut vorbereitet, die nächste GAP anzugehen“, sagt Özdemir.
Den GAP-Strategieplan für Deutschland lesen Sie unter BMEL – Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) – GAP-Strategieplan für die Bundesrepublik Deutschland
Autor: Tim Bartels, aus UmweltBriefe, Februar 2023.
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