Seit fast zwanzig Jahren findet vom 16. bis 22. September in der EU eine sogenannte Europäische Mobilitätswoche statt. Dabei zeigten auch dieses Jahr hierzulande wieder 122 Kommunen, wie Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ohne PKW unterwegs sein können: In Leipzig konnten zum Beispiel Flaneure und Radler den für einen Tag autofreien Promenadenring bevölkern, in Bremen wurde ein Parkhaus zum Treffpunkt umfunktioniert und in Erkelenz rief man die Verwaltung dazu auf, für eine Woche das Auto stehen zu lassen. Alles attraktiv und erfolgreich – aber gar nicht nachhaltig. Denn nach dieser populären Mobilitätswoche verfällt man ja ab dem 23. September wieder in alte Gewohnheiten und macht business as usual.
Jedes Jahr mehr Autoverkehr
Und schlimmer noch: „Jedes Jahr fahren in Deutschland ein Prozent mehr Autos auf den Straßen“, sagt Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer. In seiner Stadt hat der Umweltverbund – also Bahn, Bus, Fahrrad, Fuß, Sharing – nur einen Anteil von 10 Prozent. „Das ist grottenschlecht und deutlich unter Bundesschnitt“, so Kämpfer. Der 2019 wiedergewählte OB verspricht Besserung. Doch das gehe nur mit Hilfe des Bundes. „Wir brauchen dafür sehr, sehr viel Geld.“ Nur finanzielle Unterstützung reiche aber nicht, sondern nötig seien auch bessere Rahmenbedingungen „auf Regelungsebene.“
Mobilitätswende im Bundesmobilitätsgesetz verankern
Gemeinsam mit den zwei Oberbürgermeisterinnen von Bonn und Köln sowie weiteren 18 Stadtvätern appelliert Ulf Kämpfer an die kommende Bundesregierung, „der Mobilitätswende Flügel zu verleihen“. Im Zentrum ihrer sechs Forderungen steht neben der „schnellstmöglichen Erhöhung des CO2–
Straßenverkehr aufs Auto ausgerichtet
„Noch heute setzen sowohl der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) als auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) recht einseitig auf den automobilen Verkehrsfluss“, beklagen die Stadtoberhäupter. Beispiel Bonn: Der Bund will eine Autobahn mitten durchs Bonner Stadtgebiet von vier auf sechs Spuren ausbauen. Ein begleitender Radweg sei aber aufgrund des BVWP nicht möglich, moniert Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner: „Das ist nicht nachhaltig.“ Genauso wenig wie der Umstand, die Elektrifizierung der Voreifelbahn jahrelang zu verschleppen und nach der Flutkatastrophe die Strecke nun nur eingleisig wiederaufzubauen, „statt zweigleisig, wie die Region es fordert“. Auch der Ausweisung von mehr Tempo-
Mehr Entscheidungs- und Handlungsfreiheit für Kommunen
Damit Kommunen autonom entscheiden können, müsse der Bund den Klimaschutz und weitere gemeinwohlorientierte Ziele wie Verkehrssicherheit, Gesundheitsschutz, Barrierefreiheit und Bezahlbarkeit handlungsleitend im Straßenverkehrsrecht verankern. „Vorschläge für ein Bundesmobilitätsgesetz liegen auf dem Tisch“, heißt es in dem Papier der 21 OB. Sie verweisen auf den VCD, der vergangenen Juli einen Entwurf mit Regelungsinhalten vorstellte.
Zu viele klimaschädliche Investitionen
Im Weiteren appellieren die OB, endlich klima-
Ein Appell des Dialogs ‚Nachhaltige Stadt‘ des RNE unter Beteiligung von 25 (Ober-)bürgermeisterinnen und (Ober-)bürgermeistern an die kommende Bundesregierung : Rat für Nachhaltige Entwicklung Dialog „Nachhaltige Stadt“ – Oberbürgermeister für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen – Rat für Nachhaltige Entwicklung (nachhaltigkeitsrat.de)
Ein Entwurf eines Bundesmobilitätsgesetzes des VCD: Regelungsvorschlag_Bundesmobilitaetsgesetz.pdf (vcd.org)
Positionspapier des Deutschen Städtetages „Nachhaltige Mobilität für alle – Bausteine für eine
Verkehrswende aus kommunaler Sicht“: RS_HGF_Anlage_Verkehrswende_Monitoring_fin.pdf (staedtetag.de)
Autor: Tim Bartels, aus UmweltBriefe Oktober 2021.