Zehntausend abgegebene Einwegflaschen binnen drei Monaten brachten bei Hans-Peter Kastner das (Sammel-)Fass zum Überlaufen. Der 42-jährige Stuttgarter Getränkehändler nahm Plastikflaschen und Dosen aus seinem Sortiment und bietet seit knapp einem Jahr nur noch „Mehrweg“ an, fast alles in Glasflaschen. „Entgegen allen Trends und Ratschlägen“, wie er sagt.
Mehrweganteil deutlich unter dem Ziel
Tatsächlich liegt der Mehrweganteil nach wie vor deutlich unter dem im Verpackungsgesetz vorgegebenen Ziel von 70 Prozent. Doch sei zumindest ein leichter Anstieg zu verzeichnen, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). In den 1990er Jahren lag der Mehrweganteil unter den Getränkeverpackungen in Deutschland bei mehr als 70 Prozent. Im Jahr 2017 wurden dagegen nur noch 42 Prozent der Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt. „Aktuell sind es 43 bis 44 Prozent“, so der DUH-Abfallexperte. Auch dank des Stuttgarter Einwegrebellen, der eigenen Angaben zufolge weitere 17 Kollegen davon überzeugen konnte, „einwegfrei zu gehen“. Mit Erfolg: Sein Umsatz ist entgegen der Prophezeiung seiner Branche, er werde insolvent gehen, sogar um 20 Prozent gestiegen. „Auch vier Kollegen, die Einweg ausgelistet haben, sind acht bis zwölf Prozent im Plus“, berichtet Kastner. Er zählt „Mehrweg zum gesellschaftlichen Wandel, den wir benötigen, um das Ruder im Umwelt- und Klimaschutz herumzureißen“.
Das würde sicherlich auch Svenja Schulze unterschreiben. Mehrweg findet die Bundesumweltministerin bekanntlich „toll“. Doch ein Jahr nach Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes muss sie zugeben, dass der Mehrweganteil noch weit, weit unter der gesetzlichen Quote liegt.
„Ziel ist es, einen Anteil von in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränken in Höhe von mindestens 70 Prozent zu erreichen“, heißt es im deutschen Verpackungsgesetz. Und: „Zur Überprüfung der Wirksamkeit der in diesem Gesetz vorgesehenen Mehrwegförderung ermittelt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit jährlich den Anteil der in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränke und gibt die Ergebnisse bekannt.“
Geh mit mir den Mehrweg
Von Mehrwegförderung kann aber wohl keine Rede sein. Die Umsetzung der Quote werde von Unternehmen wie Lidl, Coca-Cola oder Nestlé boykottiert, beklagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und fordert Sanktionen dagegen, beispielsweise „eine Abgabe von 20 Cent auf Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen“. Zudem schlägt der Umweltverband vor, müsste der geforderte Mehrweganteil nicht als allgemeine Branchenquote gelten, sondern von jedem einzelnen Abfüller und Händler umgesetzt werden. Der Stuttgarter Einwegrebell Hans-Peter Kastner versucht es weiter mit Überzeugungsarbeit. Er hat eine Initiative gegründet („Geh mit mir den Mehrweg“) und ruft damit alle 9 500 Getränkefachhändler in Deutschland dazu auf, sich ihm anzuschließen. „Ich erwarte keinen radikalen Schnitt von Euch“, appelliert er, „aber die freiwillige Verpflichtung, die im Verpackungsgesetz vorgesehene Mehrwegquote von mindestens 70 Prozent einzuhalten, um Mehrweg flächendeckend anzubieten.“
Mehr Mehrweg, mehr Wegstrecke?
Würde diese Quote erzwungen (also bei Nichteinhalten sanktioniert), stiege „das LKW-Aufkommen für den Getränkebereich um 37 Prozent“, kritisiert der Einweglobbyverband Bund Getränkeverpackungen der Zukunft (BGVZ) und beruft sich dabei auf Studien der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM). Doch diese Fahrten der Mehrwegflaschen zurück zum Abfüller würden wohl nur dann viel mehr werden, wenn sie mit dem Leergut nicht in der Region blieben. Nach Auffassung des BGVZ befindet sich das nachhaltige Poolsystem auf dem Rückzug, weil immer mehr Individualflaschen unterwegs seien, „im Extremfall leer von Hamburg nach München“.
Mit Verweis auf eine Studie der GVM sei mittlerweile „jede zweite Flasche ein Individualgebinde“, so der BGVZ. Dennoch schätzt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Individual-Mehrwegflasche „als ökologisch vorteilhaft gegenüber Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen ein“. Schließlich handele es sich ja immer um Mehrweg. Und, so argumentiert die DUH, in den 1990er Jahren habe die Mehrwegquote für Getränkeverpackungen bei mehr als 70 Prozent gelegen (s. UKÖB 25-26/98, S. 1). „Trotzdem gab es keinen Verkehrsinfarkt.“ Weil Mehrwegflaschen ganz überwiegend regional verteilt und wiederbefüllt worden seien.
Unterdessen hat sich der Bundesrat in einem Entschließungsantrag für die Ausweitung der „Pfandpflicht auf alle Getränkedosen und alle Einweg-Kunststoffflaschen, unabhängig von den darin abgefüllten Getränkearten“ ausgesprochen.
Autor: Tim Bartels, aus UmweltBriefe, April 2020
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