Nachhaltig bauen: Kann man Bauen heute überhaupt noch reinen Gewissens empfehlen? Das fragt sich Geo-
Niedrigenergiehäuser, Passivhäuser und Plusenergiehäuser
Mit dem Plusenergiehaus ist ein Gebäude gemeint, das im Laufe eines Jahres nicht nur seinen Bedarf deckt, sondern sogar noch Energie übrig hat, die beispielsweise eine Solarstromanlage auf dem Dach produziert hat und ins öffentliche Netz speist. Ein Passivhaus dagegen soll zum Beispiel für einen Quadratmeter Wohnfläche im Jahr nicht mehr als 1,5 Liter Heizöl oder 15 Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter zum Heizen benötigen.
Carstens bringt da einen interessanten Vergleich: Ein gänzlich ungedämmtes Haus aus den 60ern könne bis zu 40 Liter Heizöl pro Jahr verbrauchen. „Und selbst ein Gebäude nach neuesten Bauvorschriften ist im Vergleich zum Passivhaus mit fünf bis acht Litern immer noch ein Spritfresser.“ Werden die gesetzlichen Bauvorschriften der Energieeinsparverordnung um etwa 30 Prozent unterschritten, spricht man von einem Niedrigenergiehaus. Dessen Konstruktion ist kompakt, seine Außenbauteile gut vor Kälte geschützt, die Außenhülle wind-
Graue Energie beim Bauen oft unberücksichtigt
Allen diesen Standards ist gemein, dass sie diejenige Energie unberücksichtigt lassen, die in das Herstellen der Stoffe fließt, mit denen ein Haus gebaut und isoliert wird. Das ist die sogenannte graue Energie, die das Klima genauso beeinflusst wie das direkte Verfeuern von Gas, Öl oder auch Kohle im Heizkessel. Graue Energie ist diejenige Energie, die man einsetzen muss, um Baustoffe zu gewinnen, zu verarbeiten, zu lagern, zu transportieren und wieder zu entsorgen – das ist ein ganz schöner Brocken. „Nachhaltigkeit beim Bauen erschöpft sich nicht in einer perfekt gedämmten Gebäudehülle“, schreibt Carstens. „In die Gesamtbetrachtung gehören auch die Baumaterialien.“
Zement ist beispielsweise ein Klimakiller. Er wird bei Temperaturen von mehr als 1 400 Grad Celsius gebrannt. Dabei wird extrem viel Kohlendioxid (CO2) freigesetzt: 900 Kilogramm pro Tonne. 25 Millionen Tonnen Zement werden jedes Jahr in Deutschland verbaut. Das macht also zusammen fast 19 Millionen Tonnen an Klimagasemissionen.
Umziehen und umdenken statt neu bauen
Und nicht zuletzt gebe es ja auch Alternativen zum Bauen: etwa den Umzug von einer zu groß gewordenen Wohnung in eine kleinere. Oder das gemeinsame Nutzen von Gästezimmern, Büroräumen und Küchen. „Mut zur Nähe“, nennt das Daniel Fuhrhop in seinem Buch „Verbietet das Bauen!“ Darin empfiehlt er Prämien für Menschen, die in kleinere Wohnungen ziehen, nachdem sich ihre Lebensumstände geändert haben. Fuhrhop macht viele Vorschläge, die das Bauen überflüssig machen und anregen sollen, den Bestand besser zu nutzen: z.B. Untermieter oder Flüchtlinge aufnehmen, alte Gebäude im Kollektiv kaufen, sanieren und bewohnen. Das ist nachhaltiger als eine weitere Fläche zu versiegeln. Carstens: „Wir müssen nicht wieder in Höhlen wohnen. Aber ein sensiblerer Umgang mit Ressourcen und Energie wäre gut.“
Tipps zum nachhaltigen Bauen
- Wenn schon ein Neubau, dann mit möglichst hohem Energiestandard. Also ein Passiv-
oder ein Plusenergiehaus. - Für minimalen Energiebedarf sind Dämmung und Luftdichtheit entscheidend. In der Querschnittszeichnung eines Hauses muss man mit einem Stift die luftdichte Ebene rundherum abfahren können, ohne abzusetzen. Für die darüber liegende Dämmebene gilt dasselbe.
- Für den Wärmschutz ideal sind kompakte Bauweisen. Sie weisen ein möglichst großes Volumen bei möglichst kleiner Oberfläche auf. Das ist bei einem Würfel oder Quader der Fall. Weil mit zunehmender Größe des Körpers auch die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen schrumpft, sind die effizientesten Häuser Mehrparteienhäuser: Je weniger Außenwände, desto geringer die Wärmeverluste.
- Mehrfamilienhäuser sind energie-
und ressourcenschonender als Einfamilienhäuser. Blockheizkraftwerke oder Wärmepumpen lassen sich gemeinschaftlich effizienter nutzen. Schließen Sie sich doch mit anderen Bauherren zusammen. - Kleine Häuser verbrauchen zwar im Schnitt mehr Heizenergie pro Quadratmeter. Denn das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen ist bei ihnen besonders ungünstig. Trotzdem sind sie in der Regel sparsamer als durchschnittliche Einfamilienhäuser, weil die beheizte Fläche wesentlich kleiner ist. Außerdem steckt in ihnen sehr viel weniger graue Energie.
- Holz ist ein umweltfreundlicher Baustoff. Je interessanter er allerdings für die Bauindustrie wird, desto größer wird der Druck auf den Wald. Achten Sie darum darauf, dass das verwendete Holz mindestens aus PEFC-
, besser noch aus FSC- zertifizierter Waldwirtschaft stammt. - Achten Sie auf eine gute Anbindung der Immobilie. Zum Beispiel an den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), an Versorgungseinrichtungen, Schulen, etc. Das spart weite Wege und CO2–
Emissionen. - Modernisieren ist nachhaltiger als bauen. Vielleicht finden Sie doch noch ein schönes Bestandsgebäude mit Potenzial.
Zu Peter Carstens: Nachhaltig wohnen im Handumdrehen. Compact Verlag. Peter Carstens – [GEO]
Autor: Tim Bartels, aus UmweltBriefe, März 2018.