Um dem weltweit grassierenden Artensterben entgegenzutreten, haben sich die Vereinten Nationen Ende 2022 in Montreal darauf geeinigt, bis 2030 knapp ein Drittel der Erdoberfläche unter Schutz zu stellen. Dieses sogenannte 30×30-Ziel erfordert in den kommenden Jahren auch für Deutschland erhebliche Anstrengungen im Naturschutz.
Schutz von mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen bis 2030 sowie Wiederherstellung von 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme: Wieviel davon ist hierzulande schon geschafft?
Landschaftsschutzgebiete
Bereits fast alles, würde man einfach nur Deutschlands Landschaftsschutzgebiete (LSG) in Betracht ziehen. Denn fast ein Drittel der Gesamtfläche Deutschlands ist als LSG ausgewiesen. Doch diese meist großen Gebiete haben nur einen geringen Schutzstatus: Land- und Forstwirtschaft sind hier erlaubt, wenn sie den Charakter des Gebiets erhalten. Ebenso Jagd und Fischerei. Auch eine Bebauung ist möglich, wenn das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird. Und Ausnahmen vom Bauverbot sind schnell gemacht: Wollen Betriebe sich im LSG ansiedeln, überwiegen für Kommunalpolitiker die Belange des öffentlichen Interesses; Teile des LSG können dann aufgelöst werden.
Diese weiche Schutzkategorie ist hierzulande weit verbreitet: Es gibt laut Bundesamt für Naturschutz rund 8900 LSG mit einer Gesamtfläche von 10,6 Mio. ha. Dies sind vor allem großflächige Wälder in Niedersachsen, NRW, Hessen, Thüringen und Bayern. Trotz ihres geringen Schutzniveaus können sie für bedrohte Arten dennoch sehr wichtig sein: Die LSG dienen nämlich oft als Puffer für Naturschutz-Gebiete (NSG), um jene vor schädlichen Außeneinwirkungen zu schützen. Und sie können auch als Verbindungsflächen für den Biotopverbund fungieren und als grüne Korridore wandernden Arten die Ausbreitung ermöglichen.
Es kann ja nicht nur darum gehen, viele kleine isolierte Naturschutz-Inseln zu schaffen, also sozusagen die letzten Paradiese. Vielmehr müssen diese Schutzgebiete auch miteinander verknüpft werden. Nur zusammenhängende Lebensräume schaffen widerstandsfähige Biotope.
Würde das 30×30-Ziel erreicht und die Schutzgebiete überwacht, ließe sich der Artenschwund aufhalten. Aber was ist mit den restlichen 70 Prozent? Dürfen die dann weiter versiegelt und zugebaut werden? Nein, vielmehr müsse der Biodiversitätsschutz ins alltägliche Handeln einfließen, sagen Wissenschaftler.
Mangelndes Management der Schutzgebiete
Aktuell stehen 15,5 Prozent der deutschen Landfläche gemäß der europäischen FFH- und Vogelschutzrichtlinie unter Schutz. Doch ihr Management ist ungenügend, urteilte jüngst der Europäische Gerichtshof. Der EuGH bemängelt, dass geschützte Flachland- und Berg-Mähwiesen verloren gingen. Um diese Wiesen zu schützen, fehlten oft Regeln zur Mahd oder Düngung. Für die Pflege der Wiesen würden Landwirte nicht ausreichend entlohnt und beraten. Wenn hier nicht nachgebessert wird, drohen Strafzahlungen.
Naturschutz ist Ländersache
Der Ball liegt jetzt bei den Bundesländern. Naturschutz ist Ländersache, und 6,5 Prozent der Fläche Deutschlands sind Naturschutzgebiete. Doch ob und wie dort gewirtschaftet wird, ist in jedem Bundesland anders geregelt. Das größte Defizit besteht in Deutschland bei den Wildnisgebieten. Ihr Flächenanteil liegt derzeit bei nur 0,62 Prozent. Hier gilt es, der Natur noch zusätzliche Flächen zur Verfügung zu stellen.
Wildnis bedeutet, dass sich die Natur nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln kann. Dazu bedarf es großer Gebiete von mindestens 1000 ha (und die Hälfte bei Seen, Auen, Moore, Küsten), also etwa der Größe einer typischen Kleinstadt in Europa (oder 1400 Fußballfeldern).
Aktuell hat Deutschland 0,62 Prozent seiner Landfläche als große Wildnisgebiete ausgewiesen. Das 2-Prozent-Ziel bis 2020 aus der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wurde klar verfehlt.
Die Größe bestehender Wildnisgebiete liegt zwischen fast 170 ha (BSR Mittelelbe, Kernzone Crassensee) und bis zu 26850 ha (NP Müritz, Kern-und Entwicklungszone). Insgesamt sind 30 der hierzulande 77 aktuellen Wildnisflächen kleiner als 500 ha.
Autor: Tim Bartels, UmweltBriefe, Januar 2025
Übersicht zur Wildnis in Deutschland: Wildnis in Deutschland
Übersicht des Bundesamtes für Naturschutz über die Schutzgebiete: Schutzgebiete in Deutschland | BfN
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Wichtigste Schutzkategorien
- 1.
Naturschutzgebiete (NSG). Zählen zu den sehr streng geschützten Flächen, auf denen „Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung“ verboten sind. Deutschland verfügt über mehr als 9000 NSG, die 6,5 Prozent der Gesamtfläche ausmachen (inkl. Nord- und Ostsee sowie Bodensee). 58 Prozent aller NSG sind aber kleiner als 50 ha (50000 m2) und damit nicht gegen negative Außenfaktoren wie Entwässerung und Stickstoffeinträge umliegender Äcker geschützt.
- 2.
Nationalparke (NP). Hier soll sich die Natur großflächig ungestört entwickeln können. Derzeit gibt es 16 NP, die insgesamt mehr als 1 Mio. ha umfassen. Diese Gesamtfläche der NP schließt allerdings auch marine Gebiete mit ein (Wattenmeere und Vorpommersche Boddenlandschaft). Allein das terrestrische Deutschland betrachtet, sind es nur 0,6 Prozent NP-Fläche (208238 ha).
- 3.
Biosphärenreservate (BSR). Großräumige Gebiete, die der Mensch schon stark verändert hat, aber als charakteristische Natur- und Kulturlandschaften erhaltenswert sind und als Modellregionen für die Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftsweisen dienen. In Deutschland gibt es derzeit 18 BSR, die zusammen etwa 3,9 Prozent der deutschen Landfläche einnehmen.
- 4.
Landschaftsschutzgebiete (LSG). Dürfen land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, Jagd und Fischerei sind erlaubt. Verboten bzw. stark eingeschränkt ist eine Bebauung, die das Landschaftsbild beeinträchtigen. In Deutschland gibt es rund 8900 LSG, die 10 Mio. ha bzw. 27 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands umfassen.
- 5.
Naturparke. Großräumige Kulturlandschaften, in denen Schutz und Erhalt der Biotop- und Artenvielfalt mit den Erholungsbedürfnissen der Menschen verbunden werden. Tourismus und umweltverträgliche Landnutzung werden dabei unterstützt. Derzeit gibt es in Deutschland 104 Naturparke, die sich auf mehr als 10 Mio. ha erstrecken und wo 52 Prozent als LSG und knapp 5 Prozent als NSG ausgewiesen sind.
- 6.
FFH-Gebiete gemäß Natura 2000. Bezeichnet das europäische Schutzgebietssystem aus Vogelschutz- und FFH-(Fauna-Flora-Habitat)-Gebieten. Sie dienen dem Erhalt von (in Deutschland 92 verschiedenen) Lebensraumtypen und Schutz der biologischen Vielfalt. In Deutschland sind 4557 FFH-Gebiete (Stand 2020) ausgewiesen, die 9,3 Prozent der Landfläche abdecken.