Europas einzige Schildkrötenart, die Sumpfschildkröte Emys orbicularis, ist vom Aussterben bedroht.
Europas einzige Schildkrötenart, die Sumpfschildkröte Emys orbicularis, ist vom Aussterben bedroht. Foto: Wolfgang Simlinger, www.simi.at
10. Juli 2023 | Bürgerinfo

Wo leben Lurche und Reptilien?

Immer wieder füllen sie das mediale Sommerloch: Die Schnappschildkröte im Löschteich oder das Krokodil im Baggersee. Solche Exoten landen dann in Auffangstationen. Dort landen aber auch heimische Arten. Nun will man mithilfe der Bürgerinnen und Bürger herausfinden, welche Lebensräume hierzulande sich Reptilien und Amphibien erhalten und erobern konnten.

Reptilien in Stadt und Landkreis

Den Wildtieren können menschliche Siedlungen tatsächlich neue Chancen bieten. Sie finden geeignete Lebensräume in Gärten und Parks, auf Friedhöfen und Brachen oder auch zwischen Bahngleisen. So entsteht häufig eine größere Artenvielfalt als im landwirtschaftlich intensiv genutzten Umland mit seinen oft zu strukturarmen Monokulturen.

„Städte sind für Reptilien und Amphibien auf jeden Fall potenzielle Lebensräume, gerade in Bereichen, die nicht so aufgeräumt sind – wenn dort strukturreiche Biotope erhalten und geschaffen werden.“

Das sagt Reptilienexperte Markus Baur. Der Leiter der Reptilienauffangstation München schätzt, dass Städte auf ihren öffentlichen Grünflächen viel Artenvielfalt beherbergen könnten. Das schließe auch Gärten ein, „wenn man sich von einem gewissen Ordnungsfimmel löst und sie naturnah gestaltet.“ Ein Hoffnungsschimmer, um dem allgegenwärtigen Artenschwund vielleicht doch noch zu trotzen.

Vom Aussterben bedroht

Denn die Zerstörung und Verschmutzung von Gewässern sowie hohe Verluste durch den Straßenverkehr gefährden die Bestände. Umso mehr wirken sich solche Bedrohungen bei selteneren und spezialisierteren Arten wie Laubfrosch (Hyla arborea), Wechselkröte (Bufo viridis) oder Gelbbauchunke (Bombina variegata) aus. Vom Aussterben bedroht ist auch die einzige Schildkrötenart Europas, die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis, s. Foto). Früher weit verbreitet, kämpft sie heute ebenso mit dem Verlust ihres natürlichen Lebensraums wie die Mauereidechse (Podarcis muralis).

Blindschleiche keine Schlange

Gegen alles „sich Schlängelnde“ halten sich trotz der Harmlosigkeit der heimischen Arten leider hartnäckig Vorurteile. Das betrifft auch Blindschleichen (Anguis fragilis), die oft mit Schlangen verwechselt werden. Eigentlich handelt es sich aber um ganz und gar nicht blinde, beinlose Eidechsen – die sogar noch ungefährlicher sind als die bei uns heimischen Schlangenarten. Die am stärksten gefährdete Schlangenart Deutschlands ist die Würfelnatter (Natrix tessellata), doch auch die noch relativ häufige Ringelnatter (Natrix natrix) kämpft ums Überleben. Dabei gehört sie wie die Blindschleiche zu den Reptilienarten, die sich beispielsweise in naturnahen Gärten durchaus sehr wohlfühlen.

Reptilien bitte melden

„Wir haben noch keinen Überblick darüber, wo überall in Stadt und Landkreis Reptilien und Amphibien leben“, sagt Markus Baur. Er hat deshalb ein Citizen-Science-Projekt ins Leben gerufen. Wer Amphibien oder Reptilien sichtet, wird gebeten, das zu melden.

„Dabei ist es uns ganz wichtig, auch die Bevölkerung mitzunehmen und den Menschen zu zeigen, welche Schätze quasi in ihrer direkten Nachbarschaft leben.“

Denn über die heimischen Arten wissen viele nur wenig. So werden die Experten der Auffangstation schon mal wegen einer „gefährlichen Schlange“ oder eines „kleinen Krokodils“ gerufen – obwohl es sich um harmlose „Urviecher“ wie Ringelnatter oder Molch handelt.

Amphibien und Reptilien
  • Laut des NABU leben in Deutschland 21 Amphibien- oder Lurcharten, das sind Kröten, Frösche, Unken und Molche, und 15 Reptilien- oder Kriechtierspezies, zu denen Schlangen, Eidechsen und die einzige europäische Schildkrötenart, die Sumpfschildkröte Emys orbicularis zählen. Im Vergleich zur Vielfalt der Tropen mit tausenden von Arten sind die bei uns heimischen Lurche und Kriechtiere also kleine Raritäten.
  • Nach Bundesnaturschutzgesetz und Bundesartenschutzverordnung gelten zahlreiche Amphibien- und Reptilienarten bereits als „streng“ oder zumindest „besonders“ geschützt. Darunter fallen auch jene, die wie die Erdkröte Bufo bufo noch vergleichsweise oft zu finden sind..

Autorin: Nicole Lamers, aus  UmweltBriefe im Juli/August  2023

Hier eine beispielhafte Auswahl von Webportalen, wo Sie Sichtungen melden können:  https://www.reptilienauffangstation.de
 https://artenwissen.online/
 https://freiberg.nabu-sachsen.de/projekte/amphibienschutz/normallandschaftsmonitoring-fuer-amphibien/amphibien-und-reptilien-melden/
 https://www.bund-sachsen-anhalt.com/ueber-uns/die-arbeitskreise/feldherpetologie/amphibien-reptilien-melden/
 https://www.nabu-oranienburg.de/artenschutz/amphibien-und-reptilien/

So helfen Sie mit, Biotope zu finden und zu schützen

  1. 1.

    Mit Citizen-Science-Projekten Wissen schaffen. Die Umweltverbände NABU und BUND sowie Bürgerprojekte wie z.B. „Münchner Urviecher“ benötigen Ihre Mithilfe: Wer in Stadt oder Landkreis Amphibien oder Reptilien sichtet, wird gebeten, das – gerne mit Foto – an Auffangstationen zu melden oder auf Meldeportalen zu dokumentieren (s. Links am Schluss der Bürgerinfo). Dort wird das Tier bestimmt und in eine Karte eingetragen. Nach und nach kann so ein Bild davon entstehen, wo Reptilien und Amphibien in der Kommune ein Zuhause gefunden haben.

  2. 2.

    Amphibien leben fast immer in relativer Nähe zu Gewässern. Während die Gruppe der Wasserfrösche das ganze Jahr in Teichen und Seen verbringt, leben die anderen Amphibienarten in angrenzenden Habitaten und machen sich zur Laichzeit im Frühjahr auf zur Wanderung zu „ihren“ Gewässern, um sich dort zu paaren und Eier abzulegen. Die daraus schlüpfenden Kaulquappen ersetzen in der Metamorphose Kiemen durch Lungen und verlassen das Wasser. Nur der Alpensalamander (Salamandra atra) bildet eine Ausnahme: Weil im Hochgebirge geeignete Laichgewässer rar sind, gebären die Weibchen voll entwickelte und lungenatmende Miniatur-Salamander.

  3. 3.

    Reptilien sind deutlich unabhängiger von Gewässern. Sie mögen es warm, denn um auf Betriebstemperatur zu kommen, sind die wechselwarmen Tiere auf ausgiebige Sonnenbäder angewiesen. Auch ihre Eier lassen die meisten Arten, an geeigneter Stelle vergraben, von der Sonne ausbrüten. Doch es gibt auch hier Ausnahmen, etwa die Waldeidechse (Zootoca vivipara): Anstatt die Eier in den oft schattigen Waldboden zu legen, tragen die Weibchen die Eier lange in sich und legen sich damit so oft wie möglich in die Sonne. Wenn die dünne Eihülle bei der Geburt dann aufplatzt, sind die fertig entwickelten Jungtiere bereits vollauf selbstständig. Dank dieser Taktik haben Waldeidechsen sogar die kalte Polarregion und die Höhenlagen der Berge erobert.