Das Rad bei der Reformierung der Landwirtschaft neu erfinden muss man nicht. Dieselrabatt und KfZ-Steuerbefreiung für Agrarfahrzeuge, deren angekündigter Wegfall Tausende Landwirte mit ihren Traktoren protestierend nach Berlin trieb, sind zweifellos klimaschädliche Subventionen. „Die Steuervergünstigung für Agrardiesel schwächt die Anreize zum effizienten Einsatz von Kraftstoff in der Landwirtschaft, mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf Klimaschutz und Luftqualität“, urteilte das UBA bereits anno 2008.
Und: „Daher sollte diese Subvention abgeschafft werden“. Dass die Streichung erst jetzt wegen akuten Sparzwangs infolge des Verfassungsgerichtsurteils erlassen wird, ist dem Unwillen der Ampel wie auch zurückliegender Bundesregierungen geschuldet. Das sieht nun auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann so: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Handlungsdefizit.“
Zukunftskommission Landwirtschaft
Alle Maßnahmen und Empfehlungen zur Transformation des Agrar- und Ernährungssektors liegen auf dem Tisch. In der Ampelregierung verschwanden sie allerdings in den Schubladen. Die Vorschläge stammen von der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission für die Tierhaltung. Beide Gremien werden im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Darin wenigstens dieser Satz: „Unser Ziel ist eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft, in der die Bäuerinnen und Bauern ökonomisch tragfähig wirtschaften können und die Umwelt, Tieren und Klima gerecht wird.“
Formuliert war damit die Notwendigkeit eines tiefgreifenden Umbaus des Agrarsystems. Doch bislang rudert man eher zurück. „Das grüne Kennzeichen bleibt“, rief Finanzminister Lindner den schimpfenden Bauern zu. Die Kfz-Steuerbefreiung für Agrarfahrzeuge gilt also weiterhin. Und die Subventionen für den Agrodiesel würden nicht sofort, sondern erst schrittweise bis 2026 abgeschafft. Zukunfts- und Borchert-Kommission hätten Konsenspapiere erarbeitet, die man nicht umgesetzt habe, räumt Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann das Scheitern der Politik ein. Nun hat sie mit den Fraktionschefs von SPD und FDP die Initiative ergriffen.
Landwirtschaft Planungssicherheit und Entlastung geben
In einem Entschließungsantrag kündigen die Parlamentarier die Absicht an, „noch im ersten Quartal 2024 konkrete Vorhaben aufzulisten, die der Landwirtschaft Planungssicherheit und Entlastungen geben“. Geklärt werden müssten laut dem Papier sieben Fragen, die sich um die Tierwohlabgabe zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung drehen; um den Zugang zu landwirtschaftlichen Nutzflächen vor dem Hintergrund der Boden- und Pachtpreisentwicklung; um faire Erzeugerpreise und die Marktmacht des Lebensmittelhandels sowie um alternative Antriebe und Treibstoffe für Landmaschinen.
Kein Maßnahmenkatalog
Dass die Fraktionsvorsitzenden statt eines Maßnahmenkatalogs bloß wieder eine Reihe von Fragen aufwerfen, verwundert den Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Martin Schulz: „Zentrale agrarpolitische Instrumente wie beispielweise die nationale Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU werden überhaupt nicht angesprochen.“
EU-Förderungen überdenken
In der Umsetzung der laufenden GAP-Förderperiode kann Deutschland jährlich seinen nationalen Strategieplan nachbessern, um die etwa 6 Mrd. Euro, die jährlich in der GAP für Deutschland zur Verfügung stehen, zielgerichtet und sinnvoll einzusetzen. Der Deutsche Naturschutzring (DNR) fordert Bund und Ländern auf, zum Beispiel eine bundesweite Förderung der Weidehaltung zu beschließen. So würden nicht nur die Grünlandbetriebe gestärkt. „Eine Weiterentwicklung der Öko-Regelungen in der Agrarförderung bietet die Chance, landwirtschaftliche Einkommen und ökologischen Nutzen zusammenzubringen“, sagt DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. So würde dann auch ein Mehrwert für Artenvielfalt, Klima- und Tierschutz geschaffen.
Die Umweltverbände fordern seit langem, dass Landwirte aus Brüssel statt der pauschalen Flächenprämie nur noch für agrarökologische Leistungen Geld erhalten. Es müsste also für die GAP-Förderperiode von 2027 an vor allem die Frage beantwortet und umgesetzt werden, in welchen Bereichen Agrarsubventionen einen echten gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen. Bei der Agrardieselbeihilfe und der Kfz-Steuerbefreiung jedenfalls ist ein gesellschaftlicher Mehrwert nicht zu erkennen.
Autor: Tim Bartels, in UmweltBriefe, Februar 2024
Der Antrag der Koalitionsfraktionen unter: Deutscher Bundestag Drucksache 20/10057 Antrag der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
Der Abschlussbericht der ZKL steht bereit unter: BMUV: Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft | Download
Empfehlungen der Borchert-Kommission downloadbar unter BMEL – Nutztiere – Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland – der Borchert-Prozess
Stellungnahme des DNR zu Anpassungen im nationalen Strategieplan: GAP-Strategieplan nachbessern: für ein friedliches, soziales und umweltfreundliches Europa (dnr.de)
Bestellen Sie kostenlose Ansichtsexemplare der UmweltBriefe
Überzeugen Sie sich von dem hohen Praxisnutzen und Mehrwert, den die UmweltBriefe bieten. Zwei kostenlose Probehefte sind für Sie reserviert: www.walhalla.de/probeabo-umweltbriefe